© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

Walter Krämer ist kein Elfenbeinakademiker, sondern besonders gern mündiger Bürger.
Der Bürger-Professor
Michael Paulwitz

Wenn er den Namen Walter Krämer hört, beißt Wolfgang Schäuble vor Wut in die Tischplatte. Mit seinem Aufruf gegen eine Banken- und Haftungsunion hat der Dortmunder Professor für Wirtschafts- und Sozialstatistik nach dem jüngsten EU-Gipfel die Republik aufgemischt: Sein alter Freund Hans-Werner Sinn und über zweihundert weitere Kollegen unterschrieben – die Rettungseuropäer und ihre Hofökonomen spuckten Gift und Galle, die Bürger aber diskutierten.

Denn Walter Krämer ist ein leidenschaftlicher Aufklärer, er kann es einfach nicht aushalten, wenn die Leute für dumm verkauft werden. Bei hartnäckigen Fällen wird er auch mal drastisch: Seinen Erzrivalen, den „Wirtschaftsweisen“ und Kronzeugen aller Staatsschuldenmacher Peter Bofinger (JF 30/10), bezeichnete er als „akademische Nullnummer“ – auch wenn er sich später entschuldigte.

Im akademischen Elfenbeinturm war es dem in seiner Disziplin hochangesehenen und in zahlreichen Gremien, Beiräten und Gastprofessuren im In- und Ausland engagierten Krämer immer zu eng. Der streitbare Hochschullehrer will alle zum Selbstdenken bringen – die Liste seiner populärwissenschaftlichen Schriften ist mindestens so beachtlich wie die seiner akademischen Publikationen. Seine Gegner sind die Panikmacher, Ökochonder, Volksverdummer und Leutebevormunder, die „Feinde der offenen Gesellschaft“ eben: „Sie kontrollieren große Teile der Medien, predigen auf unseren Kanzeln, dominieren die bundesdeutschen Lehrerzimmer.“

Mit Dutzenden Büchern und Zeitungsartikeln zieht Krämer deshalb gegen Angsthasen, Panik-Mechaniker und masochistische deutsche Pessimisten, gegen Gesundheitslügen, Statistik-Manipulationen, falsche Theorien und Sprachverhunzung zu Felde. Sein „Lexikon der populären Irrtümer“ wurde ein internationaler Millionenerfolg. Nach der BSE-Panik sammelte er am Schwarzen Brett seines Instituts die „Angst der Woche“ und machte auch gleich ein Buch daraus. Und aus Verdruß über grassierende Anglizismen gründete er den „Verein Deutsche Sprache“, der jedes Jahr den „Sprachpanscher des Jahres“ kürt und Deutsch als Verkehrssprache grundgesetzlich festschreiben will. Was einen ärgert, so ist Krämer überzeugt, verschwindet nicht von alleine – „jemand muß laut und deutlich sagen: Wir haben die Nase voll!“

So rastlos ihn sein aufklärerischer Impetus umtreibt, so beständig ist er privat und beruflich: 1948 in der Eifel geboren, ist er seit 35 Jahren mit derselben Frau verheiratet, und auch der Technischen Universität Dortmund ist er trotz zahlreicher Rufe aus dem In- und Ausland seit 1988 treu geblieben. Daß die Meinungsmacher ihn einen „Vielschreiber“ und „Besserwisser“ schmähen, juckt ihn wenig. Dafür geht er selbstzufriedenen Zeitgenossen viel zu gerne auf die Nerven – und ist damit auch noch lange nicht fertig.

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