© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  39/12 21. September 2012

„Das ist der pure Snobismus“
Eigentlich ist er nur so etwas wie Skandinaviens Hape Kerkeling. Dann aber kam TV -Starkomiker Harald Eia auf die Idee, ein paar Tabu-Themen der Political Correctness zu hinterfragen, etwa in Sachen Gender-Ideologie – und brachte diese fast zum Einsturz.
Moritz Schwarz

Herr Eia, Norwegen steht in Sachen Gender-Forschung auf dem Kopf. Wie haben Sie das gemacht?

Eia: Indem ich einfach ein paar Fragen gestellt habe.

Klingt ganz simpel.

Eia: Im Grunde ja.

Warum hat das dann keiner vor Ihnen getan?

Eia: Offenbar hatte eben keiner den Mut, das was die Gender-Forscher machen, öffentlich in Frage zu stellen. Dabei hat mancher Gender-Studies schon zuvor als unwissenschaftlich betrachtet.

Wie kommen Sie darauf?

Eia: Weil sich inzwischen etliche Professoren bei mir bedankt und eingeräumt haben, daß ihnen der Mut dazu gefehlt hätte.

Dabei sind Sie kein Wissenschaftler, sondern nur Fernseh-Komiker.

Eia: Ja, einige meiner Interviewpartner waren zunächst besorgt, ob sie nicht vielleicht Teil einer Comedy-Show werden würden, bis ich sie ganz ernsthaft befragte. Und immerhin habe ich Soziologie studiert, das hat sicher auch geholfen.

Inzwischen wurden die Fördergelder für weitere Gender-Studien des „Nordischen Gender Instituts“ in Oslo eingefroren.

Eia: Stimmt, es hat wohl etwas von seiner wissenschaftlichen Vertrauenswürdigkeit verloren. Es wurde in der Tat die Vermutung geäußert, daß dies mit der Ausstrahlung meines Films zu tun hat. Ich habe das aber nicht kommentiert, denn ich will nicht anmaßend sein. Zudem ist man nicht stolz darauf, wenn man eventuell Ursache dafür ist, daß am Ende jemand seine Stelle verliert, weil kein Geld mehr fließt.

Was genau haben Sie eigentlich hinterfragt?

Eia: Das norwegische Gender-Paradoxon.

Was bitte ist das?

Eia: Kennen Sie Norwegen?

Lachse, Fjorde, Wikinger ...

Eia: Ja und Weltspitze! In aller Bescheidenheit darf ich Sie darauf hinweisen, daß unser großartiges kleines Land Weltspitze ist – und zwar in der Frage der Gendergerechtigkeit. Gut, manche Untersuchungen sagen auch, das sei Schweden, aber sei’s drum: Einigen wir uns darauf, daß die Schweden und wir bei der Gendergerechtigkeit gemeinsam auf Platz eins liegen.

Gendergerechtigkeit?

Eia: Ja, eine tolle Sache: Gemeint ist eine Gesellschaft, die in Fragen Geschlechter total gerecht ist. Als eines der beiden gendergerechtesten Länder der Welt zu gelten verdanken wir unserem Staats-Feminismus, der alles so organisiert, daß Frauen möglichst gute Chancen am Arbeitsmarkt haben: Natürlich haben wir die Quote, Väter gehen selbstverständlich in Elternzeit, und die Kindergärten sind nicht etwa deshalb da, weil sie gut für die Kinder wären, sondern damit Mama arbeiten gehen kann.

Das klingt jetzt ein wenig ironisch.

Eia: Ganz und gar nicht, ich finde das keine schlechte Sache, ist doch fair! Allerdings, wenn man recht darüber nachdenkt, dann muß man schon zugeben, daß unser Wohlfahrtsstaat im Grunde die Parodie einer Mutter ist. Früher, da war der Staat ein Vater – streng, fordernd und hart. Heute dagegen ist er eine Mutter: freundlich, fürsorglich, für seine Bürger da und bereit, ihnen das Leben zu erleichtern von der Wiege bis zur Bahre.

Und was stimmt dann nicht?

Eia: Es gab trotzdem noch Unterschiede.

Jetzt bitte konkret.

Eia: Wir haben alles getan, was die Theorie verlangt und dennoch hat sich die Realität nicht so verändert, wie die Theorie es vorhergesagt hat. Genauer: Aus irgendeinem Grund entwickeln sich trotz allem einige Bereiche der Gesellschaft nicht vollständig gendergerecht: Etwa Bauarbeiter oder Ingenieure – in diesen Berufsgruppen zum Beispiel scheint die alte, überkommene Gesellschaft überwintert zu haben, denn wir finden hier trotz allem kaum Frauen. Andererseits sind etwa in der Krankenpflege immer noch fast nur Frauen tätig. Wie kann es in einer möglichst geschlechtergerechten Gesellschaft immer noch solche gesellschaftlichen Unterschiede zwischen den Geschlechtern geben?

Das Gender-Paradoxon!

Eia: Genau. Beunruhigende kleine Fakten, die beweisen, daß unser Utopia nicht vollständig funktioniert. Es ist wie im Kommunismus: Wir haben die richtige Gesellschaft – wieso gibt es dann immer noch Menschen, die sich dem hartnäckig widersetzen? Für eine nach eigenem Verständnis perfekte Gesellschaft ist das beunruhigend.

Ihre Antwort?

Eia: Nachsehen, was da nicht stimmt.

Das haben Sie getan und das Ganze im Film festgehalten.

Eia: Ich dachte mir, es sei eine gute Idee.

Wie funktionierte Ihr Experiment, das schließlich im öffentlich-rechtlichen Norwegischen Reichsrundfunk NRK ausgestrahlt wurde?

Eia: Sehr einfach, ich habe zunächst einmal einige der maßgeblichen norwegischen Gender-Experten interviewt, wie sie sich denn das Gender-Paradoxon erklären. Ergebnis: In unserer Gesellschaft gäbe es immer noch so viele überkommene Verhaltensweisen, daß die völlige innere biologische Gleichheit von Männern und Frauen – was also Neigungen, Empfindungen, Verhalten angeht – eben noch nicht überwunden sei. Etwa würden Jungs schon im Neugeborenenalter eher mit nettgemeinten Knüffen und Püffen bedacht, während Mädchen eher gestreichelt und liebkost würden.

Möglicherweise nicht ganz von der Hand zu weisen ...

Eia: Mag sein, aber auf die Frage, welche Rolle eventuell die Natur dabei spiele, erhielt ich eine eindeutige Antwort: Keine! Überhaupt wundere man sich, daß immer noch einige Leute daran glaubten, daß dies ein relevanter Faktor sei und dies absurderweise sogar noch wissenschaftlich zu beweisen versuchten.

Dann besuchten Sie namhafte Psychologen und Evolutionsforscher in den USA und Großbritannien.

Eia: Und konfrontierte sie mit den Interviews, die ich mit den norwegischen Gender-Experten gefilmt hatte. Die konnten nur den Kopf schütteln und verwiesen auf Untersuchungen wie diese: Babies, die nur einen Tag alt waren – also noch kaum kulturellen Einflüssen ausgesetzt gewesen sein konnten – wurden sowohl Gesichter wie auch mechanische Objekte gezeigt. Der geschlechtsrelvante Unterschied bei der Reaktion war signifikant: Eindeutig mehr Jungs betrachteten länger die mechanischen Objekte, mehr Mädchen die Gesichter. Erklärung: Jungen und Mädchen produzieren unterschiedlich viel an bestimmten Hormonen, und dieser Hormonspiegel beeinflußt die Entwicklung des Gehirns schon im Mutterleib. Ebenso konnte nachgewiesen werden, daß Menschen mit einem deutlich höheren Testosteronspiegel – übrigens gleich welchen Geschlechts – mehr Interesse für Systeme haben und weniger empathische Fähigkeiten, etwa sich in die Lage anderer zu versetzen.

Eigentlich naheliegend, würde man meinen.

Eia: Mag sein, aber wie paßte das zu den Erklärungen der Gender-Forscher in Norwegen? Also flog ich zurück und konfrontierte nun sie mit den zuletzt gefilmten Interviews. Die Reaktionen waren überraschend.

Inwiefern?

Eia: Die norwegischen Gender-Experten beschuldigten die Naturwissenschaftler, deren Interviews ich ihnen zeigte, voreingenommen zu sein und daher bei ihren Experimenten „natürlich“ auch nur das „herausgefunden“ zu haben, was sie herausfinden wollten. Einer bezichtigte sie sogar des „Fanatismus“.

Gab es dafür irgendwelche Anzeichen?

Eia: Im Gegenteil: Wenn, dann paßte diese Beschreibung eher noch auf die Gender-Experten. Ich dachte ja, vielleicht wären sie wenigstens so schlau und würden versuchen, eine Argumentation zu finden, die naturwissenschaftliche Widersprüche in ihre Theorien integriert. Aber nein, sie blieben starrköpfig. Das hat mich dann doch fast etwas überrascht – daß sie sich nicht einen Millimeter bewegt haben: Sie stritten einfach alles ab. Ich glaube, das war es auch, was die Fernsehzuschauer dann so geschockt hat: diese Arroganz.

Ihr Fazit?

Eia: Die Gender-Theorien argumentieren im Grunde lediglich auf dem Niveau populärwissenschaftlicher Magazine. Sie scheren sich nicht darum, daß es ernsthafte wissenschaftliche Untersuchungen gibt, die ihnen widersprechen. Letztlich sind die Gender-Experten erschreckend uninformiert über den Stand der modernen Forschung in diesen Fragen.

Sind diese Gender-Forscher denn dann überhaupt Forscher und Wissenschaftler?

Eia: Zumindest sind sie es gemäß ihrer Stellenbeschreibung. Um nicht falsch verstanden zu werden: Ich bin gar nicht gegen Gender-Forschung, im Gegenteil, ich finde das interessant. Aber was sich Forschung nennt, muß auch den Prinzipien der Wissenschaftlichkeit genügen.

Und wenn nicht, sind diese Leute dann nicht vielmehr Ideologen?

Eia: Wenn sie letztlich nicht mehr tun, als immer nur zu bestätigen, was comme il faut, was politisch korrekt ist, dann ja.

Wie ist es dann möglich, daß diese Leute so weit in wissenschaftliche Institutionen vordringen konnten.

Eia: Na ja, jeder sitzt eben auf seinem Hügel. Und jeder sorgt wohl dafür, daß die eigenen Leute nachrücken. Sie selbst betrachten sich ja nicht als schlechte Wissenschaftler.

Journalisten, zuständige Politiker, Wissenschaftskollegen, Vorgesetzte – hätte all das diesen Verantwortlichen nicht längst auffallen und thematisiert werden müssen?

Eia: Was sollte denn ihre Motivation dafür sein, diese Leute anzugreifen, die fest in der Mitte des gesellschaftlichen Konsens stehen? Sie hätten nichts gewinnen, sich nur Feinde schaffen können.

Exakt das haben sich wohl auch viele deutsche Verantwortliche gedacht, als die NSDAP die Gesetze zur Ausgrenzung der Juden erlassen hat.

Eia: Gut – aber in Sachen Gender geht es nicht um Leben oder Tod. Daher halte ich ihren Vergleich für etwas radikal, auch wenn ich Ihren Punkt verstehe.

Sie selbst betrachten sich als Linksliberalen.

Eia: Absolut, ich bin Sozialdemokrat.

Ist das, was Sie getan haben, dann nicht Nestbeschmutzung?

Eia: Nein, ich bin immer schon kritisch gegenüber jeder Art von Einfalt gewesen, ob sie nun von rechts oder von links kommt. Und die Linke hat diese unangenehme Tendenz, arrogant zu sein: Linksintellektuelle sind oft so selbstzufrieden mit ihren Theorien! Sie schauen so sehr von oben herab auf alle „Rechtsgerichteten“ und halten sich per se für die Avantgarde. Man kommt ihnen mit Fakten, man kommt ihnen mit wissenschaftlichen Ergebnissen – wenn die nicht in ihr Weltbild passen, werden sie ignoriert. Sie lachen nur und sagen Sätze wie: „Das hat mein Opa auch erzählt ...“ Soll heißen: Irrelevant, weil angeblich altmodisch. Das ist der pure Snobismus.

Sie deuten an, daß Journalisten, Politiker und Wissenschaftler aus Angst vor den Folgen zu allem geschwiegen haben. Haben Sie denn keine Angst?

Eia: Natürlich hat man versucht, mich zu beschädigen. Mein wahres Motiv etwa wäre meine Scheidung und daß ich eine vierjährige Krise durchlebt hätte, beziehungsweise, daß ich ein Anti-Feminist und rechtsgerichtet sei. In einem sozialdemokratisch geprägten Land wie Norwegen führt Kritik an der Gender-Forschung schnell zu einem schweren reaktionären Stigma, das die meisten Leute eben vermeiden möchten.

In Norwegen haben Sie enormen Wirbel verursacht, interessieren sich auch ausländische Medien für den Fall?

Eia: Nein, aber mich wundert das auch nicht. Schließlich: Warum sollte sich jemand für eine Fernsehshow aus einem so kleinen Land wie Norwegen interessieren? Außer den schwedischen Kollegen sind Sie die ersten.

 

Harald Eia, hat mit seinem TV-Experiment (siehe auch Seite 11) in seinem Heimatland Norwegen eine der hitzigsten Debatten der letzten Zeit ausgelöst, denn „was man dort zu hören bekommt, läßt einem teilweise die Haare zu Berge stehen und hat das ganze Land in einen Schockzustand versetzt“ (Der Freitag). In sieben Folgen hat der in seiner Heimat bekannte Fernseh-Komiker fast sämtliche heißen Eisen der Political Correctness angepackt. Alle Folgen – „The Gender Equality Paradox“ / „The Parental Effect“ / „Gay – Straight“ / „Violence“ / „Sex“ / „Race“ / „Nature or Nurture“ – sind im Internet mit englischen Untertiteln abrufbar. Während Eia den gesellschaftlichen Konsens zu diesen sieben Themen hinterfragte, stieß er immer wieder auf offenbar eklatante wissenschaftliche Widersprüche zum herrschenden Meinungs-Status-quo. Nicht umsonst trug das Projekt den Titel „Gehirnwäsche“ und wurde mit dem Ehrenpreis für Redefreiheit der norwegischen Fritt-Ord-Stiftung ausgezeichnet. Eia, Jahrgang 1966, studierte Soziologie und hat inzwischen auch ein Theaterstück veröffentlicht, das in Oslo mit großem Erfolg uraufgeführt worden ist.

Foto: Da drückt der Schuh: „Die Gender-Experten erwiesen sich als erschreckend uninformiert über den Stand der modernen Forschung ... Ihre Theorie argumentiert letztlich auf dem Niveau populärwissenschaftlicher Magazine.“

 

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