© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts über den ESM
Hoffnung und Erwartung
Karl Albrecht Schachtschneider

Meine Hoffnung ist, daß das Bundesverfassungsgericht am 12. September das Notwendige tun wird und mittels einstweiliger Anordnung die Ratifikation von drei mit den Bürgerrechten unvereinbaren Verträgen unterbindet: Artikel 136 Absatz 3 des EU-Arbeitsvertrags, der die Währungsunion in eine offene Haftungs- und Schuldenunion umwandelt, den Rettungsschirm ESM und den illusorischen Fiskalpakt.

Die Staatsfinanzierung mittels einer stabilitätswidrigen Geldmengenerweiterung durch das System der Europäischen Zentralbanken ist auch Gegenstand des Prozesses, aber nicht im Eilverfahren, genausowenig wie der Euro-Plus-Pakt, der Wachstum mit untauglichen Mitteln fördern soll, und die Rechtsakte des „Sixpack“, die eine Art EU-Wirtschaftsregierung etablieren. Wenn das Karlsruher Gericht die Not nicht wendet, werden der weitere Niedergang der europäischen und der deutschen Wirtschaft unausweichlich. Leistungen an die Rettungsschirme sind genauso wie die an Griechenland verloren.

Die Inflation oder gar eine Währungsreform wird Vermögen, große und kleine wie Renten und Pensionen, wegfressen und auch die Löhne minimieren. Die jüngste Zwischenkonjunktur in Deutschland war zum einen Reaktion auf den Einbruch nach der Lehman-Krise und zum anderen dem illegitimen Preisdumping durch die unterbewertete Währung in Deutschland zu danken. Die jahrelange deutsche Lohnzurückhaltung brachte keinen Kaufkraftvorteil, sondern nur einen Exportvorteil für die Industrie, der anderen Volkswirtschaften schadet. Die Beendigung des Euro-Abenteuers würde den Völkern die Geldhoheit zurückgeben. Nur dadurch können sie ihre Wirtschaft retten. Die Verluste der Banken können vernachlässigt werden.

Meine Erwartung ist eine andere: Das Gericht wird die Verfassungs- und Vertragsprinzipien des Eurosystems wiederholen, wird mahnen, das Recht zu achten. Es wird, gemessen am demokratischen Prinzip, feststellen, daß die Rettungspolitik die Budgethoheit selbst künftiger Parlamente noch nicht evident verletzt. „Noch nicht“ sind seit dem Maastricht-Urteil die Schlüsselworte der Integrationsjudikatur.

Ein hilfreicher Schritt wäre es, wenn die Belastungsgrenzen Deutschlands quantifiziert würden. Ein ’Bis-hierher-und-nicht-weiter‘ würde weitere Integrationsschritte von Verfassungsreferenden der Euro-Völker abhängig machen, die eine weitgehende Aufgabe der Souveränität zugunsten eines Bundesstaates ermöglichen. Würden die Völker das gutheißen, wäre das europäische Europa beendet und der postnationalen Diktatur der Weg geebnet. Die politische Klasse wäre am Ziel.

 

Prof. Dr. Karl Albrecht Schachtschneider lehrt öffentliches Recht an der Uni Erlangen-Nürnberg. Er klagt mit Volkswirten gegen die Verträge zur Euro-Rettung.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen