© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Befreiung aus dem Schattendasein
Brasilien entdeckt mit deutscher Hilfe die Ressourcen der Solarenergie
Torsten Neumann

Die bislang allenfalls abgebremste Vernichtung seiner Regenwälder im Amazonasbecken hat Brasilien vor allem in der deutschen Öffentlichkeit den zuverlässig miserablen Ruf ökologischen Barbarentums eingetragen. Was nach Ansicht des Umweltministeriums (BMU) nicht ganz gerechtfertigt ist, da in dessen Hausorgan (Umwelt, 6/12) Lob für die Anstrengungen der Süd­amerikaner ausschüttet wird, unabhängiger von der klimagefährdenden fossilen Stromerzeugung zu werden.

Unterentwickelt sei in dem sonnenverwöhnten Land, das nach BMU-Angaben 85 Prozent des Stroms überwiegend aus erneuerbaren Energien gewinnt, aber ausgerechnet die Solarenergie. Mit deutscher Hilfe, so verkünden Peter Altmaiers Beamte für multilaterale Zusammenarbeit im Bereich Umwelt und erneuerbare Energien, werde das derzeit zügig geändert. Seit 2009, als die Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) das Projekt „1.000 Solardächer für Brasilien“ zu fördern begann, erteilt Berlin auch auf diesem Sektor ökologischen Nachhilfeunterricht am südlichen Wendekreis, nachdem bereits die Ressourcen der „kleinen Wasserkraft“ und der Windenergie in ersten Pilotprojekten angezapft wurden.

Aktuell peile die gemeinsam mit dem brasilianischen Umweltministerium konzipierte Strategie das Ziel an, den Anteil der Solarthermie bis 2015 von 7,5 auf 15 Millionen Quadratmeter zu verdoppeln. Dann hätte Brasilien zwar erst den heutigen Stand der Verbreitung von Solaranlagen im sonnenscheinarmen Deutschland erreicht. Aber angesichts der erwarteten Zuwächse des Stromverbrauchs, der für knapp 200 Millionen Einwohner auf jährlich um fünf Prozent beziffert wird, sind das keine imponierenden Zahlen.

Trotzdem scheint dies nach deutschen Einschätzungen zu genügen, um in diesem Versorgungssegment die brasilianische Energiepolitik aus ihrem „Schattendasein“ herauszuholen. Der staatliche Wohnungsbaufinanzierer Caixa hat denn auch sein Fördervolumen für 2011 bis 2014 mit 200 Millionen Euro für 250.000 Solareinheiten im Sozialwohnungsbau im Vergleich zur ersten Förderphase verfünffacht. An diesen Caixa-Projekten sind die Deutschen als „technische Begleiter“ beteiligt, als Trainer für Manager und Techniker des Unternehmens und mit „Sensibilisierungs- und Fortbildungsmaßnahmen“.

Außerdem treiben BMU, GIZ und die KfW-Bankengruppe die Installation der Photovoltaik-Technologie voran und haben einige Projekte im Megawattbereich realisiert, so im Nordosten des Landes ein Mega-Solarkraftwerk in Tauá sowie eine MW-Anlage auf dem Dach eines Stromversorgers im südbrasilianischen Florianópolis. Die versprochenen „sonnigen Aussichten“ für Brasilien sind aber gerade bei dieser Technologie noch ungewiß. Habe sich beim Expertenaustausch doch herausgestellt, daß der Ausbau mittel- bis langfristig nur gelinge, wenn die Produktion der Photovoltaik-Module im eigenen Land bewerkstelligt wird. Was deutschen Projektentwicklern und Produzenten „interessante Investitionsmöglichkeiten“ eröffne.

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