© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Frisch gepresst

Jungkonservative. Claudia Kempers bei Axel Schildt entstandene Hamburger Dissertation über Arthur Moeller van den Bruck und seinen Kreis bei der Zeitschrift Gewissen beginnt unfreiwillig komisch, wenn sie im Vorwort Freunden für „Übersetzungen aus dem Sütterlin“ dankt. Schon dieses Bekenntnis, handschriftliche Quellen aus dem Moeller-Kreis nur mit fremder Hilfe entziffert zu haben, zeugt von beachtlicher Distanz zum Forschungsobjekt. Ein Abstand, der aus der ideologischen Kontraposition der traditionell linksliberalen Hamburger Historikerzunft resultiert, die die Doktorandin akademisch sozialisierte. Trotz dieser penetrant herausgekehrten Anti-haltung ist Kemper eine materialreiche Untersuchung gelungen, die aber beharrlich ignoriert, daß Moeller und sein „Denkkollektiv“ keinen glasperlenspielerischen „Propagandadiskurs“ zelebrierten, sondern auf konkrete außen- und innenpolitische Krisen reagierten, die Deutschlands erste Demokratie nach Versailler Diktat und Inflation bestimmten. Dieser geschichtliche Kontext verschwindet bei Kemper im Nebel, so daß man glaubt, die Jungkonservativen um Moeller hätten sich einem Kopfkino hingegeben, das nicht allein in der „Frauenfrage“ ohne Wirklichkeitsbezug abspulte, gespeist lediglich aus „männlichen Ängsten und Machtansprüchen“. (dg)  

Claudia Kemper: Das „Gewissen“ 1919–1925. Kommunikation und Vernetzung der Jungkonservativen. Oldenbourg Verlag, München 2011, gebunden, 517 Seiten, 59,80 Euro

 

Lebensborn. Mit keiner Institution läßt sich die Lust totalitärer Systeme an der „Lufthoheit über den Kinderbetten“ (Olaf Scholz) so prägnant nachweisen, wie mit der SS-Organistion „Lebensborn e.V.“ Der Berliner Historiker Thomas Bryant hat sich diesem Phänomen in seiner wissenschaftlichen Arbeit mit Zeitzeugenbeiträgen genähert. Leider stellt jene die quantitative Dimension des selbst in Himmlers „Schwarzem Orden“ nur eine Randexistenz darstellenden NS-Programms samt der exemplarisch so entlarvenden Entwürfe in Fragen von „Rassepflege“ und Gesellschaftsumbau nur unzureichend dar. Denn anders als Bryants unterschwelliger Duktus, der „Lebensborn“ wäre die Vollendung der SS-Familienpolitik gewesen, war diese im Gegensatz zur hohen Wertschätzung von Mutterschaft und Kinderreichtum kaum geeignet, in traditionelle deutsche Milieus einzudringen. (bä)

Thomas Bryant: Himmlers Kinder. Zur Geschichte der SS-Organisation „Lebensborn e.V.“ 1935–1945. Marix Verlag, Wiesbaden 2012, gebunden, 352 Seiten, Abbildungen, 19,90 Euro

 

Historisches Kalenderblatt

10. September 1922:    Die „Hohe Interalliierte Rheinkommission“ verbietet das Singen und Spielen des Liedes der Deutschen, der neuen Nationalhymne des Deutschen Reiches, im besetzten Rheinland. Der Grund dafür sei der „imperialistische“ Text.

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