© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  37/12 07. September 2012

Machtverschiebung im Zeichen der Krise
Niederlande: Vor den Parlamentswahlen zeichnet sich ein Stimmenzuwachs linker Parteien ab / Islamkritiker Wilders könnte Stimmenanteil annähernd halten
Mina Buts

Wenn Mitte kommender Woche in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt wird, wird es zwar nicht unbedingt einen neuen Premierminister, aber dennoch eine deutliche Machtverschiebung hin zu den linken Parteien geben. Die bisherige Koalition aus den Rechtsiberalen der VVD und den Christdemokraten der CDA war mit Duldung der antiislamistischen PVV (Partei für die Freiheit) von Geert Wilders zustande gekommen. Über die Frage, wo im Land gespart werden müsse, um die Eurokrise in den Griff zu bekommen, war die Regierung Ende April zerbrochen.

Der amtierende Ministerpräsident Mark Rutte (VVD) dürfte den Prognosen zufolge im Amt bleiben, muß sich allerdings neue Koalitionspartner suchen. In den TV-Duellen hat er sich wenig professionell geschlagen, was aber seiner Beliebtheit vor allem unter den konservativeren Wählern keinen Abbruch getan hat. Vor allem Christdemokraten wenden sich von ihrer Partei ab und der VVD zu. Mit prognostizierten 35 von 120 Sitzen dürfte Ruttes Partei wiederum stärkste Fraktion werden, während die Christdemokraten mit einer Halbierung ihrer Mandate rechnen müssen.

Wilders’ PVV werden 18 Mandate und damit sechs weniger als 2010 zugetraut, was einem Stimmenanteil von 15 Prozent entspräche.

Spannend in diesem Wahlkampf sind die rasanten Verschiebungen zwischen den beiden sozialistischen Parteien. Die linksaußen stehende SP mit ihrem Spitzenkandidaten Emile Roemer befindet sich im Sinkflug, innerhalb einer Woche hat sie in den Umfragen sechs von 36 prognostizierten Mandaten eingebüßt. Schuld daran ist der hölzern wirkende Roemer selbst, der vor allem mit seiner 30jährigen politischen Erfahrung punkten will.

In der medialen Darstellung redet er sich um Kopf und Kragen: Weder legt er sich auf eine Beibehaltung des Rentenalters fest, in den Niederlanden ein heftig diskutiertes Thema, noch auf die von ihm versprochene Verkleinerung der Schulklassen, die Einkommensumverteilung oder die Arbeitsmarktpolitik. Kritische Nachfragen der Journalisten kommentierte er wiederholt äußerst ungeschickt, indem er darauf hinwies, daß Politiker im Wahlkampf ohnehin alles versprechen, dann aber doch kaum einhalten würden. Die Reaktion der Wähler bleibt nicht aus, wie die Prognosen schon jetzt belegen.

Ganz anders kommt der Spitzenkandidat der PvdA (Partei für die Arbeit) daher. Zwar gehört Diederik Samsom eher dem linken Flügel der sozialdemokratischen Partei an, mit seiner jovialen Art spricht er die Wähler aber ganz anders an. Seine Devise lautet: „Alles ist möglich.“ Der studierte Kernphysiker hat sich lange bei Greenpeace engagiert, bevor er die Ökostromfirma „Echte Energie“ gründete. Der Nichtraucher und Vegetarier sieht sich im Aufwind – innerhalb einer Woche hat seine Partei in den Umfragen von 18 auf 25 bis 30 Sitze zugelegt.

Die Polarisierung zwischen den beiden sozialistischen Parteien schadet den Grünen – sie werden voraussichtlich sieben ihrer zehn Mandate verlieren und damit sogar noch weniger Sitze als die „Partei für die Tiere“ erhalten.

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