© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Entscheidung des Gewissens
Kirchen: Der evangelische Pfarrer Andreas Theurer wechselt am Reformationstag zum Katholizismus über
Gernot Facius

Andreas Theurer (45), evangelischer Pfarrer in Göttelfingen bei Freudenstadt, hat ein seine Oberen verstörendes Buch geschrieben. Der Umschlag zeigt den Autor im Lutherrock mit Beffchen, in der linken Hand eine Hostienschale, in der rechten einen Kelch. Der Buchtitel: „Warum werden wir nicht katholisch?“

Für sich persönlich hat Theurer die Frage schon beantwortet: Zusammen mit seiner Frau, sie ist Mitglied der württembergischen Landessynode, tritt er am 31. Oktober, Reformationstag (!), zum Katholizismus über. Vom 1. November an, dem Feiertag Allerheiligen, wird er im Institut für Neuevangelisierung des Bistums Augsburg arbeiten – Weihe zum Priester nicht ausgeschlossen, vermutlich in drei Jahren. Seine alte Kirche hat ihn schon vom Dienst suspendiert, nicht ohne Worte des Bedauerns: „Er war ein guter Pfarrer.“

Daß ein protestantischer Geistlicher katholisch wird, ist nicht mehr ungewöhnlich. Nach vorsichtigen Schätzungen haben seit 1945, die Kirchen halten sich mit Zahlen zurück, etwa hundert evangelische Amtsträger die Seiten gewechselt – und ebenso viele römisch-katholische. 1950 ging noch ein heftiges Rauschen durch den Blätterwald, als Papst Pius XII. dem Mainzer evangelischen Pfarrer Rudolf Goethe gestattete, Priester zu werden und ihn von der Zölibatspflicht befreite. Heute führen viele konvertierte Geistliche ein Leben mit Frau und Kindern, sie werden allerdings überwiegend in der katholischen Kategorialseelsorge (Bundeswehr, Krankenhaus, Altenheim etc.) eingesetzt, kaum als Gemeindepfarrer.

Die Causa Theurer unterscheidet sich von vergleichbaren Fällen durch die Offenheit, mit der der Wechsel begründet wird. Sie spiegelt ein Unbehagen an modernistischen Tendenzen der evangelischen Kirche. Die größten Hindernisse für die Ökumene, sagt Noch-Protestant Theurer, lägen heute nicht mehr beim Papst, „sondern bei uns“. Er nennt die Frauenordination, die „unklare Haltung zu Abtreibung und Sterbehilfe“, die „Auflösung des Zusammenhangs von Ehe, Fruchtbarkeit und Sexualität“, die Haltung zur Homosexualität, und die Auflösung „der letzten Reste evangelisch-lutherischer Amtstheologie“ durch die immer häufigere Abendmahlsverwaltung durch Nichtordinierte. Sein Übertritt sei ein bewußtes Ja zur katholischen Theologie und zu den sieben Sakramenten; evangelische Kirchen kennen nur zwei Sakramente, Taufe und Abendmahl. Und am Anfang stand bei Theurer die Erkenntnis, daß ihm das katholische Verständnis vom geweihten Priester näher ist als das evangelische vom Priestertum aller Gläubigen. „Irgendwann mußte ich eine Gewissensentscheidung treffen.“

Das alles sagt ein Mann, der im frommen pietistischen Milieu aufgewachsen ist. Gemeinhin ist es auf Distanz zu Rom bedacht. In jüngster Zeit läßt es aber vor allem in ethischen Fragen Sympathien für die Papstkirche erkennen. So gesehen hat die Causa Theurer durchaus Signalcharakter.

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