© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  36/12 31. August 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Auf dem Weg in die Diktatur
Henning Hoffgaard

Für alle, die die Faust noch in der Tasche haben.“ Wer einem Buch über Angela Merkel eine solche Widmung voranstellt, muß sich auf Widerspruch gefaßt machen. Diese Erfahrung durfte Gertrud Höhler bereits bei der Buchvorstellung von „Die Patin – Wie Angela Merkel Deutschland umbaut“ machen. 80 Journalisten sitzen im Haus der Bundespressekonferenz und lauschen mit versteinerten Mienen Höhlers Ausführungen zur Kanzlerin. Und die haben es in sich. Deutschland befindet sich auf einer Vorstufe zum „totalitären Unrechtsstaat“. Merkel eine Demokratin? „Wer kann das schon wissen.“ Das hat gesessen. Von den verwirrten Blicken des Moderators und Redakteurs der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, Christian Geyer, fast noch angestachelt, legt die resolute Publizistin nach: Merkel habe das Recht bei der Energiewende gebrochen, den Bundestag mit der Zustimmung zum ESM quasi zur Selbstentmachtung gezwungen und fast alle konservativen Werte der CDU still und leise über Bord geworfen.

Die Bundesregierung habe in den vergangenen Jahren „legale Strukturen durch illegales Verhalten infiltriert“. Höhler rechnet gnadenlos ab: Merkel als Kopf mafiaartiger Strukturen. So was traut sich kaum jemand zu sagen, geschweige denn zu schreiben. Das Vorgehen der Kanzlerin als „Methode M“. Ideenklau bei den Sozialdemokraten, Entdemokratisierung, Staatswirtschaft, Einheitspartei. Der Vergleich zur SED-Diktatur drängt sich auf. So recht interessieren sich die Journalisten wohl nicht dafür. Die klaren Worte Höhlers sind offenbar nur schwer zu ertragen, zumal ihr Verhältnis zu den Medien seit geraumer Zeit als zerrüttet gilt.

In einer mehrminütigen peinlichen Befragung wird die Publizistin aufgefordert, sich für ein kurzfristig abgesagtes Interview für die Kulturzeit auf 3sat zu rechtfertigen. Mit dem Buch hat das schon lange nichts mehr zu tun. Es geht nur noch um Höhler und ihr persönliches Verhältnis zur Kanzlerin. Sie sei doch verärgert, von Merkel nicht zur Ministerin gemacht worden zu sein, heißt es. Die merkeltreuen CDU-Granden lassen sich nicht lange bitten. „Gekränkte Eitelkeit, weil Helmut Kohl sie nicht zur Ministerin gemacht hat und weil Merkel nicht auf sie hört. Gertrud Höhler, die Jenny Elvers im deutschen Politikbetrieb.“ Die Worte stammen vom Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses und CDU-Kurzzeitgeneralsekretär Ruprecht Polenz. Selten waren sich Medien und Union so einig. Höhlers Thesen einer demokratiegefährdenden Kanzlerin seien „unverschämt“, wie der Focus stellvertretend für die angelaufene Empörungswelle ausführt.

Der Autorin dürfte es egal sein. Auch Thilo Sarrazin wurde nach seinen Veröffentlichungen massiv angegangen, beleidigt und diffamiert. Seinem Erfolg tat das bekanntlich keinen Abbruch. Daß Höhler nun als „beleidigte Kassandra“ verspottet wird, ist da nur folgerichtig. Die gleichnamige Tochter des trojanischen Königs sah das Unheil kommen und warnte eindringlich vor dem hölzernen Pferd vor den Stadtmauern. Ohne Erfolg. Am Ende blieben nur Ruinen.

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