© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  35/12 24. August 2012

Deutsch hat einen guten Ruf
Haushaltsgeräte: Neben Miele setzen auch Bosch und Siemens zumindest teilweise auf „Made in Germany“
Michael Martin

Dieses Gerät hat 1.001 Konstrukteure: nämlich 1.000 Hausfrauen und Bauknecht.“ So warb die 1919 gegründete Firma Bauknecht einst für seine Geschirrspüler. Und der Werbeklassiker „Bauknecht weiß, was Frauen wünschen“ überlebte sogar die 1991 vollzogene Übernahme durch den US-Konzern Whirlpool. Erst 2004 knickte man vor dem vermeintlichen Zeitgeist ein und sattelte um auf den nichtssagenden Marketingslogan „Heute leben“ – doch die feministischen Kundinnen dankten es Bauknecht nicht.

2011 wurde das Bauknecht-Geschirrspülerwerk in Neunkirchen an den Automobilzulieferer ZF übergeben, Ende dieses Jahres wird der letzte deutsche Bauknecht-Produktionsstandort Schorndorf geschlossen. Die 1887 gegründete Allgemeine Elektricitäts-Gesellschaft (AEG) warb zu Zeiten des Wirtschaftswunders mit „Aus Erfahrung gut“ – seit 1994 ist die AEG nur noch eine von vielen Marken des schwedischen Electrolux-Konzerns. Von den einst zahlreichen Standorten ist nur noch das AEG-Hausgerätewerk in Rothenburg ob der Tauber übriggeblieben.

Daß das westfälische Familienunternehmen Miele unbeirrt auf heimische Produktion setzt und seine Haushaltsgeräte „Made in Germany“ erfolgreich in alle Welt exportiert, ist kein Geheimnis – doch die Miele-Qualität hat ihren Preis. Aber gibt es noch Waschmaschinen, Gefrierschränke, Staubsauger oder Trockner „Made in Germany“ im mittleren Preissegment? Ja, zumindest mittelfristig kann man wohl optimistisch sein. Denn mit deutscher Wertarbeit wirbt – wenn auch eher verschämt – die Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH (BSH).

Die Firma ist der größte Hausgerätehersteller in Europa und einer der weltweit führenden Massenhersteller der Branche. Der Konzern entstand 1967 als Gemeinschaftsunternehmen der Robert Bosch GmbH (Stuttgart) und der Siemens AG (München) und erzielte 2011 einen Umsatz von rund 9,7 Milliarden Euro. Heute hat die BSH 42 Fabriken in 13 Ländern – in Europa, den USA, Lateinamerika und Asien. Zusammen mit einem Netz von Vertriebs- und Kundendienstgesellschaften sind rund 70 Gesellschaften in 49 Ländern mit über 45.000 Mitarbeitern für die BSH tätig.

Neben den namensgebenden Hauptmarken Bosch und Siemens zählen sieben weitere Marken (Gaggenau, Neff, Thermador, Constructa, Viva, Ufesa und Junker) zur BSH. Vier Regionalmarken (Balay, Pitsos, Profilo und Coldex) sorgen für breite Akzeptanz auf ausländischen Märkten. Trotz Globalisierung und der spürbaren asiatischen Billigkonkurrenz sind derzeit noch knapp 15.000 (32 Prozent) der BSH-Mitarbeiter in Deutschland beschäftigt. Danach folgen Asien mit 24 Prozent sowie Ost- und Westeuropa mit rund 20 Prozent der Beschäftigten. Das Unternehmen kann auf eine lange Tradition aufbauen.

So ist Bretten im Allgäu der erfahrungsreichste Standort im heutigen Verbund der BSH. Bereits vor mehr als 130 Jahren wurde dort die Carl Neff Herd- und Ofenfabrik gegründet. 1982 wechselte Neff als Tochter zur BSH. Neben der früheren Kernkompetenz Herde und Backöfen werden hier inzwischen auch aktuell rund 900.000 Dunstabzugshauben pro Jahr für die verschiedenen Marken der BSH produziert. Nach einem kurzen Verkaufseinbruch wächst das Geschäft wieder. „Mit Staubsaugern aus Bad Neustadt saugt nahezu die ganze Welt“, verkünden stolz die BSH-Manager. „Neben dem Heimatmarkt Deutschland werden auch alle Länder West- und Osteuropas beliefert. Aber sogar in den Vereinigten Arabischen Emiraten oder selbst Australien setzt man gerne auf die Saugqualität aus Unterfranken“, erklärt Jochen Heel, Chef des Werks an der Saale, das 2011 über zwei Millionen Geräte herstellte. „Schon jetzt profitieren wir hier von unseren extrem schnellen Reaktionszeiten. Heute eingeplant heißt bei uns in spätestens zehn Tagen produziert.“

In Dillingen an der Donau, einem der größten BSH-Standorte werden Spülmaschinen produziert. Insgesamt werden etwa fünf Millionen Geräte an fünf europäischen und einem nordamerikanischen Standort hergestellt – doch im Mittelpunkt steht dabei das Werk in Bayerisch-Schwaben. Hier ist nicht nur die größte Produktion beheimatet, hier haben auch die Entwicklungsabteilung und die Qualitätskontrolle ihren Sitz. Etwa ein Fünftel des Umsatzes macht BSH in Deutschland, Ende 2011 waren dies etwa 9,6 Milliarden Euro.

Der Erfolg von BSH ist insofern überraschend, da in Bereichen speziell Siemens mit Pleiten, Pech und Pannen und jüngst mit Stellenabbau in die Schlagzeilen geriet. Siemens-Fernseher oder Mobilrechner gibt es längst nicht mehr. Besonders spektakulär fuhr eine Generation von Managern die einstmals erfolgreiche Mobilfunk-Sparte an die Wand. „Siemens Mobile“ war ein Pionier der Branche, der Funktelefone für Otto Normalverbraucher erschwinglich machte – und schließlich der letzte deutsche Handy-Hersteller. Im Jahr 2000 erwarb Siemens sogar noch die Anteile von Bosch, ganz nach dem BSH-Vorbild.

Doch zu lange wurde sich auf den technischen Lorbeeren ausgeruht. 2004 kam es zum Einbruch, ein Jahr später wurde die Mobil-Sparte an den taiwanischen Hersteller BenQ verkauft, zwölf Monate später folgte die Insolvenz. Tausende Arbeitsplätze in Deutschland gingen verloren. Ursache war nicht der hohe Preis von „Made in Germany“, sondern fehlende Innovation – die lassen sich Samsung und Apple teuer bezahlen.

Auch bei der ehemaligen Tochter Gigaset hatte Siemens keine glückliche Hand. Die Festnetztelefonsparte wurde 2008 verkauft, anschließend gab es juristische Auseinandersetzungen um Haftungsfragen. All dies kostete Siemens erneut viel Geld. Electrolux und Whirlpool waren immerhin so clever, die eingeführten Marken beizubehalten – aber ein Gigaset-Telefon ohne das Siemens-Siegel ist chancenlos gegen bekannte Namen wie Panasonic oder Philips, auch wenn die ihre Apparate längst in China fertigen lassen.

Die türkische Firma Beko – Tochter der milliardenschweren Koç Holding – hat hingegen die Bedeutung eingeführter deutscher Namen erkannt: 2004 übernahm der Istanbuler Konzern das Erbe von TV-Pionier Max Grundig. Seit 2008 heißt sogar die ganze Firma Grundig Elektronik AŞ. Nur für die im unteren Preissegment gut eingeführten Elektrogroßgeräte werden weiter unter dem Markennamen Beko angeboten. Auch der erfolglose Werbespruch „Grundig – Made for you“ wurde von den türkischen Eignern wieder germanisiert: „Aus gutem Grund – Grundig“.

Grundig ist inzwischen wieder der zweitgrößte TV-Hersteller Europas – aber die Fernseher sind inzwischen alle „Made in Turkey“. Das gilt übrigens auch für die Blomberg-Haushaltsgeräte, die früher aus dem westfälischen Ahlen kamen. Seit zehn Jahren gehört das deutsche Traditionsunternehmen ebenfalls zur Koç Holding – unter dem Motto: „Eine starke deutsche Marke in internationalem Verbund!“

Foto: BSH-Werk in Nauen bei Berlin: Aus der 1994 eröffneten Produktionsstätte kommen jährlich etwa 800.000 Waschmaschinen. Die Geräteentwicklung erfolgt im Wäschepflege-Technologiezentrum Berlin-Siemensstadt

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