© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Der sanfte Revolutionär
Musik: Zu Claude Debussys 150. Geburtstag
Wiebke Dethlefs

Nach Wagner mußte die Musik von persönlichen Gefühlen befreit werden und gesäubert werden, um ihr die verlorene Objektivität zurückzugeben. Dies war Debussys große Lebensaufgabe. Ihm allein verdanken wir, daß die Musik wieder in Frieden, ohne Tränenergüsse oder Ohnmachtsanfälle gehört werden konnte. (…) Debussy befreite die Musik vom Element der Vermenschlichung, und schon aus diesem Grunde steht er am Anfang einer neuen Zeit.“ So José Ortega y Gasset.  Treffender läßt sich kaum das künstlerische Wesen Claude Debussys charakterisieren, den man oft so vielsagend-nichtssagend als Begründer des musikalischen Impressionismus ansieht.

Dabei war der junge Komponist, der am 22. August 1862 in Saint-Germain-en-Laye als Sohn eines Keramikhändlers zur Welt kam, zunächst leidenschaftlicher Wagnerianer. Erst später wandte er sich von Wagners Affektgeladenheit und dem Intellektualismus seiner Leitmotivtechnik ab. Mit der Vertonung von „La Damoiselle Elue“ (1888) nach Dante Gabriel Rosetti, einem ziemlich verquasten symbolistischen Poem, fand er seine eigene charakteristische Tonsprache, gekennzeichnet durch übermäßige Dreiklänge und scheinbar unthematisches Schwanken in fremdartiger Melodik. Doch die ungewohnte neue Tonsprache reüssierte: „ L’après-midi d’un Faune“ (1894), sein erstes „reines“ Orchesterwerk, wurde bei der Uraufführung vom Publikum begeistert aufgenommen – wenngleich nicht von der Kritik.

Debussy bevorzugt in seinem musikalischen Ausdruck eine fast aristokratische Zurückhaltung, die er aber mit größter Sensibilität verknüpft, wie es unter anderem die zauberhafte Zeichnung der „Nuages“ (Wolken) im ersten der drei Nocturnes zeigt: Nebelhaft verschwimmende Motive und Rhythmen ohne dynamische Schwankungen lassen die wundervollsten Assoziationen an feine silberhell gleitende Wölkchen entstehen.

Damit kann man Debussy knapp zwanzig Jahre vor Schönberg als den bis dahin größten Revolutionär der Musikgeschichte bezeichnen. Mit seiner akkordischen Klanglichkeit und instrumentalen Farbenpracht gelang es ihm, eine Fülle neuer Ausdrucksmöglichkeiten zu eröffnen. Die musikalischen Mittel, auf die heute jeder Tonsetzer zurückgreift, der Naturstimmungen darstellen will, schuf erst Claude Debussy. Mit ihm hatten „tausende unbestimmte Wunder der Natur endlich ihren Übersetzer gefunden“ (Jean Cocteau).

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