© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

„Wir müssen Action machen“
Berlin: Mit Demonstrationen vor Moscheen und linksextremen Einrichtungen will Pro Deutschland für Aufmerksamkeit sorgen
Henning Hoffgaard

Bei den Berliner Sicherheitsbehörden ist die Anspannung groß: „Das Zeigen von islamfeindlichen und islamkritischen Abbildungen im Zuge von Veranstaltungen von Pro Deutschland ist geeignet, hohe Emotionalisierungen bis hin zu Straftaten zu provozieren“, sagt ein Mitarbeiter des Berliner Verfassungsschutzes der JUNGEN FREIHEIT. Eine so deutliche Warnung der Behörde ist selten. Für die Berliner Polizei wird das kommende Wochenende zu einer organisatorischen Herausforderung, die mit den eigenen Hundertschaften kaum zu bewerkstelligen sein wird. Im Mittelpunkt des Interesses steht eine Reihe von Veranstaltungen der Bürgerbewegung Pro Deutschland. Drei Kundgebung samt Gegenprotesten vor islamischen Einrichtungen sind für Sonnabend angemeldet. Zwei vor von Salafisten dominierten Moscheen, eine vor einem Burka-Geschäft, das in seinem Schaufenster mittels eines Koranzitates bis vor kurzem noch die totale Unterwerfung der Frau gefordert hatte.

Einen Tag später will die Bürgerbewegung vor einige der wichtigsten linksextremen Einrichtungen in der Hauptstadt ziehen. Die Mobilisierung der linken Szene läuft auch aus diesem Grund bereits auf Hochtouren. Im Internet kursieren zahlreiche Aufrufe, die geplanten Kundgebungen mit allen Mitteln zu verhindern. Man wolle, heißt es in einem anonymen Schreiben, linke Projekte auf jeden Fall „verteidigen“. Die nur schlecht kaschierten Drohungen haben ihre Wirkung bei der Polizei nicht verfehlt. Eine geplante Demonstration vor einem Haus im Stadtteil Friedrichshain, auf dessen Dach die Parole „Deutschland verrecke“ weithin sichtbar prangt, mußte abgesagt werden.

Die Polizei habe den Schutz der Pro-Deutschland-Anhänger nicht gewährleisten können, heißt es. Für Lars Seidensticker, stellvertretender Chef von Pro Deutschland und Organisator der Kundgebungen, zeigt das Einknicken der Sicherheitskräfte vor den Linksextremisten nur, daß es in der Stadt offenbar Gegenden gäbe, die auch für Polizeibeamte zu „No-go-Areas“ geworden sind. Seidensticker spricht aus Erfahrung: Im Frühjahr organisierte er eine Reihe von Demonstrationen der Partei Pro NRW vor mehr als 30 Moscheen in Nordrhein-Westfalen. Trotz des starken Polizeiaufgebotes kam es dabei zu brutalen Übergriffen von Salafisten gegen die eingesetzten Beamten. Höhepunkt waren schwere Ausschreitungen in Bonn, bei denen 29 Polizisten verletzt wurden. Zwei von ihnen wurden Opfer eines arbeitslosen Islamisten, der mit einem Messer auf sie einstach. Eine Anklage wegen versuchten Mordes lehnte die Staatsanwaltschaft jedoch ab.

Stattdessen wird wegen gefährlicher Körperverletzung, schwerem Landfriedensbruch und Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte ermittelt. In Vernehmungen gab der 25 Jahre alte Täter an, die von den Pro-NRW-Anhängern gezeigten Mohammed-Karikaturen hätten den Islam beleidigt. Die dadurch angestoßene Diskussion über die randalierenden Salafisten führte schließlich zu einem Verbot eines ihrer Vereine und der Ausstellung eines Haftbefehls gegen einen islamischen Gewaltrapper, der sich mit anderen führenden Islamisten jedoch rechtzeitig nach Ägypten absetzen konnte.

Die Gefahr, die von solchen Leuten ausgeht, wolle man nun auch in Berlin einer breiten Öffentlichkeit deutlich machen, betont Seidensticker. Vorwürfe, das Zeigen der Karikaturen stachele die Moslems nur noch weiter an, läßt er nicht gelten. „Das Gewaltpotential dieser Leute ist sowieso schon sehr hoch.“ Daß die Demonstrationen absichtlich auf das Ende des Ramadan gelegt worden seien, bestreitet der Politiker und spricht von einem Zufall. Mit „tatkräftiger Unterstützung aus Nordrhein-Westfalen“ will Pro Deutschland in den Europawahlkampf starten. Durch den Wegfall der Fünf-Prozent-Hürde reichen der Partei knapp ein Prozent der Stimmen für einen Sitz im Europaparlament. Um bundesweit auf sich aufmerksam zu machen, sollen nach Berlin auch in anderen Großstädten wie Hamburg, Leipzig oder München islamkritische Kundgebungen stattfinden. Seit Wochen führt er Kooperationsgespräche mit den Berliner Behörden. Teilweise saßen mehr als ein Dutzend Polizisten mit ihm zusammen.

Die Brisanz seines Vorhabens ist dem stellvertretenden Chef von Pro Deutschland bekannt. Durch die eingeschränkte Medienberichterstattung könne eben nur mit wenigen Themen Aufmerksamkeit erregt werden. Und die gibt es eben vor allem mit Islamkritik, ist er sich sicher. „Wenn wir eine Demonstration mit 500 Leuten gegen den ESM machen, wird darüber sowieso nicht berichtet.“ Also müsse „für Action“ gesorgt werden. Genau das bereitet dem Berliner Innensenat große Sorgen: Die Kundgebungen seien eine „durchschaubare Inszenierung und eine Provokation“. Auseinandersetzungen wie in NRW wolle der Senat in Berlin nicht erleben, heißt es auf JF-Anfrage. Fragen zur Gewaltbereitschaft von Salafisten und Linksextremisten will der Senat dagegen nicht beantworten. Dabei hat die Hauptstadt hier ein wachsendes Problem. Fast jeder dritte der 350 Salafisten in Berlin wird als gefährlich eingeschätzt. Dazu kommen nach Informationen des Verfassungsschutzes mehr als 1.000 gewaltbereite Linksextremisten. Ein Großaufgebot der Polizei soll am Wochenende verhindern, daß dieses Gewaltpotential sich entzündet. Vorerst jedenfalls.

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