© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  34/12 17. August 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Sturm der Entrüstung
Marcus Schmidt

Für die Linkspartei ist der Fall eindeutig. „Daß der Bundeswehr-Offizier Georg Klein weiter reibungslos Karriere zu machen scheint, ist mehr als befremdlich“, ließ deren verteidigungspolitische Sprecher, Paul Schäfer, wissen. Und auch Hans-Christian Ströbele (Grüne) meldete sich zu Wort und sprach ein Beförderungsverbot für Klein aus.

Viele Medien stimmten in diese Empörung mit ein, als das Verteidigungsministerium in der vergangenen Woche bestätigte, daß Oberst Georg Klein, der im September 2009 als Kommandeur des deutschen Feldlagers im afghanischen Kundus für die Bombardierung zweier von den Taliban entführter Tanklaster verantwortlich war, zum Brigadegeneral befördert werden soll (Kommentar Seite 2). Allen voran der Spiegel kritisierte die Entscheidung von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) scharf und schrieb von den „belohnten Bomben“: Mit der Rangerhöhung Kleins, der Abteilungsleiter im neuen Bundeswehr-Amt für Personalmanagement werden soll, werde das Bombardement von Kundus in die deutsche Normalität integriert. Scharfe Kritik kam auch von dem Opfer-anwalt Karim Popal. „Die Beförderung wäre ein Schlag ins Gesicht der afghanischen Zivilbevölkerung und käme einer Kriegserklärung gleich“, sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung.

Plötzlich war der Luftangriff von Kundus, der zahlreiche Afghanen das Leben und einen Minister (Arbeitsminister Franz Josef Jung, der zum Zeitpunkt des Angriffes Verteidigungsminister war), einen Staatssekretär  (Peter Wichert) und einem Generalinspekteur (Wolfgang Schneiderhan) das Amt kostete, wieder präsent. Dabei wurde häufig vergessen, daß alle strafrechtlichen und disziplinarischen Ermittlungen gegen Oberst Klein längst eingestellt wurden.

In der Bundeswehr, und vor allem in den in Afghanistan stationierten Einheiten, ist die Beförderung Kleins vielfach mit Erleichterung zur Kenntnis genommen und als Signal an die Truppe verstanden worden. Ein Beförderungsstopp für Klein hätte sich dagegen verheerend für das innere Gefüge ausgewirkt, heißt es. Dadurch wäre bei den Entscheidungsträgern die Verunsicherung gestiegen und hätte zu einer für die Truppen in Afghanistan gefährlichen Passivität geführt. Bei alldem bleibt durchaus nicht unerwähnt, daß Klein bei seiner Entscheidung nicht alle Einsatzregeln befolgt und beispielsweise den angeforderten amerikanischen Kampfflugzeugen mitgeteilt habe, deutsche Einheiten hätten Fühlung mit den entführten Tankern, obwohl das nicht den Tatsachen entsprach. Gleichzeitig wird aber darauf verwiesen, daß Klein sehr gute Gründe für seine Entscheidung für einen Angriff hatte. Er mußte in der unübersichtlichen Situation davon ausgehen, daß die zur Zeit des Angriffes sechs Kilometer vom Feldlager entfernt an einem Flußübergang feststeckenden Tanker von den Taliban als rollende Bomben gegen das Feldlager eingesetzt werden sollten.

Die Frage, wie Klein damit zurechtkommt, daß seiner Entscheidung  zahlreiche unschuldige Zivilisten zum Opfer gefallen sind, wurde in der neuerlichen Debatte übrigens kaum gestellt.

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