© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Haltungsnote
Eine Diva mit Beffchen
Christian Schwiesselmann

Willkommen im Weinberg der Liebe“, eröffnete Ralf Schmidt nicht etwa den örtlichen Swingerclub, sondern den „erotischen Abendmahlsgottesdienst“ in der Evangelischen Erlösergemeinde Mainz-Kastel.

„Wir feiern die Erotik des Lebens“, rief der 47jährige Gemeindepastor seinen Schäfchen zu, bevor die Orgel den Beatles-Schlager „All My Loving“ intonierte. Rosenblätter fallen von der Empore, eine Seniorengruppe tanzt um den Altar – der „verpartnerte“ Homosexuelle hat den „Tag des Herrn“ offenbar mit einem „Christopher-Street-Day“ verwechselt: „Mein Hintern, meine Hände, meine Zunge, mein Penis, meine Ohrläppchen sind Landeplätze der Lust. Genießen wir es auf diese Weise, in Gottes Lustgarten zu leben, wenn wir schon kein Paradies mehr haben“, predigt Schmidt in theologisch heikler Weise, ganz so als gäbe es keinen Unterschied zwischen der menschlichen (Eros) und der göttlichen Liebe (Agape).

Natürlich war der „Tabubruch“ am 9. Sonntag nach Trinitatis wohlkalkuliert. Schmidt hatte laut Süddeutscher Zeitung vorab angekündigt, er werde die Wörter „Ficken und Poppen“ gebrauchen – und ist dann doch vor derlei Vulgarismen zurückgeschreckt. Dennoch verfehlte die Ankündigung ihre Wirkung nicht, zumal die Konfirmanden wie alle unter 16jährigen vom Gottesdienst ausgeschlossen blieben.

Zahlreiche Medienvertreter bevölkerten um so sensationslüsterner den Kirchenraum, der in seiner „markanten Betonarchitektur“ eigentlich den Blick „von der Mühsal draußen, von den gewohnten Eindrücken, von Hetze, Lärm und Sinnesüberflutung“ weg- und auf Jesus Christus hinlenken sollte – der Pfarrer demonstriert auf der Internet-seite der Gemeinde, daß er es besser weiß. Was kommt als nächstes? Warum kein Schwein im Chorraum schlachten, um die Kirche zu füllen?

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