© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

„Junge Welt“ vor dem Aus?
Prozeßtermin: Ein Arbeitsrechtsstreit könnte schwerwiegende Folgen haben / Geschäftsführer droht mit Gang zum Konkursrichter
Ronald Gläser

Am Montag entscheidet sich womöglich die Zukunft der Jungen Welt. Dem früheren FDJ-Zentralorgan droht eine Geldstrafe. Das Arbeitsgericht Berlin entscheidet über die Rechtmäßigkeit der Entlassung des Weinexperten und Ex-Mitarbeiters Rainer Balcerowiak (JF 9/12).

Verliert der 8.-Mai-Verlag erwartungsgemäß den Prozeß, dann müssen Sozialversicherungsbeiträge und gegebenenfalls Lohn für Monate oder gar Jahre nachgezahlt werden. In der Summe mindestens 30.000, vielleicht sogar 100.000 Euro. Dies wäre zwar schmerzhaft, würde dem Verlag aber nicht das Genick brechen. Doch für Verlagschef Dietmar Koschmieder geht es ums Prinzip. Er will hart bleiben. Wie die JUNGE FREIHEIT aus Verlagskreisen erfahren hat, soll er Kollegen gegenüber angekündigt haben: „Lieber melde ich Konkurs an, als daß ich Balcerowiak einen Pfennig zahle.“

Balcerowiak, der sich genausowenig wie Koschmieder gegenüber der JF äußern wollte, war zwölf Jahre lang bei der linken Tageszeitung als Redakteur beschäftigt. Formal war er ein fester Freier, aber er hatte einen Arbeitsplatz, geregelte Arbeitszeiten und war weisungsgebunden. Ein klarer Fall von Scheinselbständigkeit.

Der Fall spaltete die Szene: In Internetforen tauschten sich in der Folge wochenlang Leser und Verlagsangehörige über Ungerechtigkeiten in der Genossenschaft aus. Die Junge Welt schimpfte: „Shitstorm“.

Welche Optionen bleiben der Jungen Welt? Neben der Berufung, die nur aufschiebende Wirkung haben dürfte, heißt es aus dem Verlag, ein Urteil gegen die Junge Welt würde umgehend als „Klassenjustiz“ angeprangert, um eine „Spendenkampagne“ starten zu können. Wie nach dem skandalösen „Wir-sagen-danke“-Titel beim 50. Mauerbaujubiläum. 30.000 Euro seien bei so einer Aktion drin, heißt es.

Die zweite Möglichkeit wäre eine Neugründung unter ähnlichem Namen nach einem formalen Konkurs der Jungen Welt. Das würde obendrein die Chance eröffnen, auch andere, mißliebige Arbeitsverhältnisse aufzulösen und nur die Mitarbeiter zu übernehmen, die die DKP-nahe Haltung der Verlagsleitung mittragen.

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