© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Im Strudel der Korruption
Kärnten: Rücktritte in Folge eines unsauberen Bankengeschäfts setzen FPÖ und ÖVP unter Druck / Jörg Haiders langer Schatten
Rainer Liesing

Nicht erst seit Dietrich Birnbacher mit einer sein Gewissen erleichternden Aussage die Kärntner Regierung ins Wanken brachte, ist die Landesregierung mit hinhaltendem Rückzug befaßt. Zuvor schon standen einige ihrer Mitglieder unter Korruptionsverdacht: Uwe Scheuch, bis zu seinem nunmehrigen Rücktritt von seinen Funktionen als Vizeregierungschef und Vorsitzender der Freiheitlichen Partei Kärntens (FPK), ist bereits in zwei Gerichtsinstanzen wegen „Geschenkannahme durch Amtsträger“ zu sieben Monaten Haft auf Bewährung und einer Geldstrafe von 150.000 Euro verurteilt – da er in Berufung ging, ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Scheuch soll einem investitionswilligen Russen gegen eine Parteispende die Staatsbürgerschaft angeboten haben.

Sodann ist Landeshauptmann Gerhard Dörfler (FPK) in Verdacht der „illegalen Parteienfinanzierung“ geraten. Seine Büroräume wurden von der Korruptionsstaatsanwaltschaft durchsucht. Ebenso wie Scheuch und Landesminister Harald Dobernig (FPK): Einvernommen wurden sie, weil eine für 500.000 Euro aus Steuergeldern finanzierte, kurz vor der Landtagswahl 2009 an alle Haushalte verschickte Werbebroschüre des Titels „Wir bauen das neue Kärnten“ optisch frappant an die Werbelinie ihrer damaligen Partei Bündnis Zukunft Österreich (BZÖ) erinnert. Auch Stefan Petzner, BZÖ-Nationalratsabgeordneter, gehört in dieser Causa zum Kreis staatsanwaltschaftlich Verdächtigter: Er zeichnete seinerzeit im Impressum für die Gestaltung verantwortlich.

Während Petzner beim BZÖ blieb, vollzogen Dörfler, Scheuch und Dobernig mitsamt Kärntner BZÖ als FPK den Wechsel zurück unter das Dach der FPÖ, deren Parteichef Heinz-Christian Strache und Scheuch 2010 den Weg dazu bereitet hatten.

Besagter Birnbacher hatte einst für Landeshauptmann Jörg Haider und den damaligen Landesrat Josef Martinz – bis vor kurzem Chef der in „ruhender Koalition“ mit der FPK verbundenen Kärntner ÖVP – ein rückdatiertes „Gutachten“ zum erzielbaren Veräußerungswert der Hypo Alpe-Adria Group an die Bayerische Landesbank verfaßt und sollte dafür zwölf Millionen Euro erhalten. Nach medialem Einspruch waren es dann „nur“ noch sechs Millionen.

Doch der Verkauf der (maroden und mittlerweile notverstaatlichten) Bank für 800 Millionen Euro beschäftigt seitdem die Gerichte. Birnbachers Geständnis brachte Martinz zunächst in Erklärungsnot, dann zu Fall.

Haider und er hätten 2007 vereinbart, gestand er, es müsse beim Hypo-Verkauf etwas für ihre beiden Parteien abfallen. Ausgemacht war, daß es eine „Drittellösung“ geben solle – ein Drittel des Gutachter-Honorars für ihn, ein Drittel für die ÖVP und eines für Haiders Freiheitliche. 100.000 Euro wurden 2008 an Martinz respektive dessen Anwältin gezahlt.

Martinz trat nach Birnbachers und seinem Geständnis von allen Funktionen zurück und gewärtigt jetzt einen Untreue-Prozeß. Auch Landesrat Achill Rumpold, Klubobmann Stephan Tauschitz und Landesgeschäftsführer Thomas Goritschnig – alle ÖVP – traten zurück. Gabriel Obernosterer, der neue Landesparteichef, sieht nur im „Großreinemachen“ eine Chance für das Überleben seiner Kärntner ÖVP.

Auch die SPÖ – zwar in Opposition, aber gemäß Landesverfassung ebenso wie die ÖVP in der Kärntner Proporzregierung vertreten – ist in der Bredouille. Gegen sie wird in der „TopTeam“-Affäre ermittelt: 2008 und 2009 sollen SPÖ-Politiker für 390.000 Euro Aufträge aus Haushaltsmitteln des Landes an die parteieigene Werbeagentur „Top Team“ vergeben haben.

Weil laut Birnbacher Scheuch und Dobernig 2009 an ihn herangetreten seien und für die FPK 500.000 Euro verlangt haben sollen, woraufhin die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie das Bundesamt für Korruptionsbekämpfung wegen des Verdachts der versuchten Geldwäsche Ermittlungen gegen sie einleitete, blieb auch Scheuch nichts anderes übrig als der Rücktritt.

Zuvor hatte Andreas Mölzer, Kärntner Europaparlamentarier und FPÖ-„Urgestein“, mit den Involvierten abgerechnet: „Ungesetzliche Handlungen auf Dauer vertuschen zu wollen und mutmaßliche Usancen der etablierten Parteien bei der Geldbeschaffung als Rechtfertigung heranzuziehen, ist schlicht dumm.“ Wo FPK-Politiker involviert seien, hätten diese nur eine Chance: „Alles auf den Tisch.“

Nach Scheuchs Rücktritt hat dessen Bruder Kurt das Heft in die Hand genommen. Noch läuft er vor vorzeitigen Wahlen davon, die SPÖ, Grüne und ÖVP fordern, indem die FPK einen Trick anwendet: Der Neuwahlbeschluß setzt die Anwesenheit von zwei Dritteln der 36 Landtagsabgeordneten im Kärntner Landhaus voraus. Als es in der ersten Sondersitzung vor zwei Wochen zum Antrag kam, verließen die 17 FPK-Abgeordneten den Saal. Zur zweiten Sondersitzung am vergangenen Freitag erschienen sie gar nicht erst.

Während die Opposition aus rasch wählen lassen möchte, sucht die FPK den Wahltermin hinauszuschieben – möglichst bis zur Nationalratswahl im Herbst 2013, zumindest aber bis zum Frühjahr. In der Hoffnung, auch von der für die FPÖ günstigen Stimmung zu profitieren. Fraglich ist jedoch, ob FPÖ-Chef Strache dies will oder bei erwartbarer Fortdauer der juristischen Auseinandersetzungen und deren medialer Begleitung das unvorteilhafte Kärntner Sittenbild für seine Wahlkampagne 2013 als abträglich einschätzt. Denn derzeit hat es den Anschein, als könnte sich Kärnten, das „Stammland des freiheitlichen Lagers“, als Achillesferse der FPÖ erweisen.

Foto: Landeshauptmann Gerhard Dörfler und der zurückgetretene Vizeregierungschef Uwe Scheuch (beide FPK): Ernste Mienen im Zuge des Hypo-Alpe-Adria-Skandals

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