© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  33/12 10. August 2012

Michael Vesper. Nach ihrem Krisengespräch mit dem DOSBChef reiste Ruderin Drygalla ab
Der Wohl-Täter
Ronald Berthold

Dieser Mann hat sich Respekt verschafft: Als es dieser Tage darum ging, Sippenhaftung und den „Kampf gegen Rechts“ auf politisch korrekte Weise zu verbinden, hat Michael Vesper „konsequent“ gehandelt – das wird ihm von Medien und Politik einhellig bescheinigt. Nach der Einbestellung der deutschen Olympia-Ruderin Nadja Drygalla (Bericht Seite 4) zum Krisengespräch mit Vesper reiste die 23jährige „freiwillig“ aus London ab. Der Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gilt jetzt als so etwas wie der Retter des olympischen Gedankens, denn Vesper habe den „Nazi-Skandal“, der die Spiele „verdunkele“, wie es in den Medien hieß, energisch und elegant gelöst.

Dabei war Vesper pikanterweise vor vier Jahren, bei den Olympischen Spielen in Peking, selbst dem kommunistischen Regime beigesprungen, als es dafür kritisiert wurde, Internetseiten zu zensieren. Damals hatte er in Interviews gesagt: „In jedem Land der Welt, auch in Deutschland, werden Internetseiten gesperrt.“ Dies sei „natürlich“ auch in China so. Im übrigen: „Es geht um Sport, nicht um Politik.“ Wie wahr, mag mancher, der sich nun mit der Sippenhaftung im Fall Drygalla noch nicht anfreunden kann, ihm heute beipflichten.

Und wie damals versucht Vesper auch heute auf allen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen: 2008 indem er flugs nachschob, daß er trotz seiner Rechtfertigung der Zensur natürlich „ein strikter Gegner von Internetzensur“ sei und, als die Kritik an ihm zu groß wurde, seine Äußerungen gar widerrief. Jetzt, indem er Nadja Drygalla zwar auch in Schutz nahm, ihr etwa attestierte, „auf dem Boden demokratischer Grundsätze“ zu stehen, gleichzeitig aber ihre Abreise – sprich Abservierung – „begrüßte“.

Bekannt ist der Name Vesper aber nicht nur in Zusammenhang mit dem DOSB. Der Diplom-Soziologe ist mit der Journalistin Ferdos Forudastan verheiratet, die jüngst für Aufmerksamkeit sorgte, als sie zur Sprecherin von Bundespräsident Gauck berufen wurde (JF 29/12), und Bruder Stefan ist seit 1999 Generalsekretär der einflußreichen „linkskatholischen“ Laienorganisation Zentralkomitee der deutschen Katholiken. Geboren 1952 in Köln, war Michael Vesper einst Gründungsmitglied der Grünen, saß für diese im Landtag von NRW, brachte es gar zum Bauminister und Vize-Ministerpräsidenten. Manch alter Weggefährte wirft ihm heute Verrat an den Idealen von einst vor, um den Posten des DOSB-Direktors zu ergattern. Laut Financial Times Deutschland hat Vesper tatsächlich „den DOSB mit harter Hand in ein zentralistisches Organ verwandelt“, während dieser in einem Selbstportrait verlauten läßt: „Michael Vesper ist ein Funktionär, aber das bürokratische Image des Begriffs paßt nicht zu ihm. Er ist sprachlich und gedanklich sehr beweglich.“ Was das genau zu bedeuten hat, hat er im Fall Drygalla nun eindrucksvoll gezeigt.

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