© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Ab nach Afrika und Asien
Die Elektroschrott-Entsorgung in Übersee geht weiter / Ökologischer Skandal und ökonomische Verschwendung
Klaus Wujak

Von der Wiege bis zur Bahre – für alles hat die EU-Kommission eine Richtlinie parat. Nur erweisen diese sich oft als nicht alltagstauglich. So etwa die Richtlinie 2002/96/EG über Elektro- und Elektronikaltgeräte. Sie sollte den Elektroschrottexport nach Afrika und Asien eindämmen. Dieses Ziel sei verfehlt worden, bilanziert Knut Sander, Leiter des Bereichs Abfallwirtschaft bei der Ökopol GmbH, nüchtern zehn Jahre Brüsseler Ineffizienz. Kein Grund zum Schämen, denn auch weltweite Vereinbarungen zur Abfallexportregulierung im Rahmen der „Basler Konvention“ seien Makulatur geblieben.

Es geht weiter wie eh und je zu: Die europäischen Versender exportieren, ersparen sich den Entsorgungsaufwand, und auf den überseeischen Schrottplätzen Europas verdienen viele Menschen mit dem Ausschlachten und Reparieren der Geräte etwas Geld – unter Gefährdung ihrer Gesundheit. Allein in Deutschland betrug die Gesamtexportmenge, die den Hamburger Hafen verließ, 155.000 Tonnen. Dazu kommen über den Landweg Richtung Osten geschätzte 200.000 Tonnen. Ferner nicht abschätzbare Exporte über Flüsse, Schienen und Straßen in alle Himmelsrichtungen. Gleichbleibend ist der Trend, daß eminent schadstoffbelastete Geräte mit hohen Entsorgungskosten wie Kühlschränke und Röhrenmonitore überproportional in den Exportcontainern vertreten sind.

Aus den Augen aus dem Sinn des deutschen Verbrauchers sind mit seinem Schrott auch die ökologischen Belastungen in den exotischen Importländern. Keiner der Hauptempfängerstaaten von Hamburger Containern verfüge über Entsorgungsstrukturen, die europäischen Minimalstandards entsprechen. Entsorgungsmöglichkeiten für schadstoffhaltige Reste der Ausschlachtung fehlen, unnütze Komponenten wie bleihaltige Gläser oder Kunststoffe würden ungesichert gelagert.

Initiiert durch die deutsche „Energiewende“ sieht Sander jedoch eine Chance, diesem ökologischen Skandal einen Riegel vorzuschieben. Sie zwinge nämlich aus volkswirtschaftlichem Kalkül zur Umkehr. Die entsorgten Geräte enthalten strategisch wichtige Metalle. Gerade die Rückgewinnung von Edel- und Technologiemetallen sei aber mit den simplen Selektionsmethoden auf afrikanischen Schrotthalden schwierig.

„Mit den alten Elektrogeräten verlassen nicht nur viele Gefahrstoffe das Land, auch kostbare Rohstoffe wie Gold, Kupfer, Platin oder Indium gehen damit für den Rohstoffkreislauf bei uns verloren“, klagte schon vor zwei Jahren der Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth. „Kostbare Rohstoffe vernünftig zu recyceln, ist bei steigenden Weltmarktpreisen – gerade für viele Metalle – auch ein ökonomisches Gebot der Vernunft.“ Jährlich gingen den Exportnationen so Rohstoffwerte in mittlerer zweistelliger Millionenhöhe verloren.

Dieses Argument, so hofft Sander, überzeuge selbst EU-Bürokraten. Anfang 2012 beschloß das Europaparlament tatsächlich eine neue Richtlinie, die den Elektroschrottexport besser unterbinden solle. Sie müsse ab 2013 lediglich in nationales Recht transferiert werden. Wirksamer als die Richtlinie von 2002 könne sie indes nur sein, wenn ausreichend Exportkontrollen stattfinden. Leider seien die personellen und finanziellen Mittel dafür in den vergangenen Jahren zunehmend begrenzt worden.

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