© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Die redaktionslose Zeitung
Können Journalisten bald einpacken? Ein Schweizer Verleger bringt ein Magazin auf den Markt, das ohne Mitarbeiter auskommt
Michael Ludwig

In der Schweiz entsteht gegenwärtig ein Magazin, das ganz ohne Journalisten auskommen will. Es heißt Mag20 und soll am 16. August mit einer Auflage von 50.000 kostenlosen Exemplaren den Markt gehörig durcheinanderwirbeln.

Das Projekt hat es in der Tat in sich: Jeder, der sich dazu berufen fühlt, kann einen Artikel schreiben und ihn auf der Website des Magazins veröffentlichen. Dann treten die Mag20-Nutzer in Aktion – sie stimmen über Facebook, Twitter und Google Plus darüber ab, welcher Beitrag es wert ist, gedruckt zu werden. Die 20 Artikel mit der größten Resonanz werden dann in das Printmedium aufgenommen. Mag20 tummelt sich auf den Feldern Politik, Gesellschaft, Wirtschaft, Kultur und Wissen und wird wöchentlich erscheinen.

Um einen gewissen Grundstock an journalistischer Qualität zu garantieren, arbeitet Verleger Markus Bucheli mit professionellen Vertragspartnern zusammen, darunter Agenturen, Internetblogs und Zeitschriften, die ihre Beiträge zur Zweitverwertung zur Verfügung stellen. Honorare bekommen weder die Hobby-Journalisten noch die Zuarbeiter aus der Verlagsbranche; erstere erhalten ein Kurzportrait, letztere ein Firmenlogo. Finanziert wird das Projekt durch Anzeigen.

Markus Bucheli verzichtet nicht nur auf eine teure Redaktion, sondern – bis auf einen einzigen Mitarbeiter – auch auf sonstiges Personal. Alle wichtigen Bereiche werden ausgelagert, so das Anzeigenmarketing, die technische Aufbereitung, das Lektorat (um wenigstens die gröbsten Schnitzer der journalistischen Amateure auszubügeln) und die Ergänzung der Beiträge mit Fotos.

Er könne nicht verstehen, warum bisher noch niemand auf diese Idee gekommen sei, erklärte Bucheli. Aber es ist nicht nur der unternehmerische Wagemut, der den 28jährigen antreibt, der früher als Wirtschaftsprüfer bei PricewaterhouseCoopers gearbeitet hat, sondern auch sein Sinn für Medienvielfalt. Er findet es falsch, daß sich in der Schweiz fünf Großverlage den Markt teilen. Deshalb blieben viele gesellschaftlich relevante Themen auf der Strecke. Bis zum Jahresende ist das Erscheinen von Mag20 gesichert, dann will Bucheli Bilanz ziehen und entscheiden, wie es weitergehen soll.

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