© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

„Mit Qualität sehr gute Chancen“
Interview: Johannes Freiherr von Perger über die Vorteile der Genossenschaft sowie der Schweiz und Österreichs
Wolfhard H. A. Schmid

Ihr Vater begann 1949 mit einer kleinen Lohnmosterei. Aus Bremszylindern eines Eisenbahnwaggons hatte er eine Obstpresse gebaut und so den Grundstein für Ihr heutiges Unternehmen gelegt. Später kaufte Ihre Familie dann Felder, um sie mit Apfelbäumen und Johannissträuchern zu bepflanzen. Woher stammte die Idee, am Ammersee Säfte herzustellen?

Perger: Eigentlich vom hiesigen Gartenbauverein. Man wußte, daß meine Familie vor der Vertreibung aus Böhmen ein Gut mit 450 Hektar hatte.

Warum haben Sie sich erst spät für das maschinelle Waschen, Füllen und Etikettieren von Flaschen entschieden?

Perger: Schon 1956 hatte mein Vater in eine Handfüllanlage mit einer täglichen Leistung von 2.000 Flaschen investiert. Die Investition von 1972 brachte eine Leistungssteigerung auf bis zu 15.000 Flaschen pro Tag, aber kleinere Anlagen gab es damals nicht.

1986 haben Sie das väterliche Unternehmen übernommen und systematisch auf Bio-Produkte umgestellt. Warum?

Perger: Es gab zwei Gründe dafür. Einmal meine Überzeugung, naturgerechte Produkte ohne künstliche Zusatzstoffe zu produzieren. Mein Vater lag mit seinen Produkten irgendwo dazwischen. Der zweite Grund war, daß es sich um einen interessanten Markt handelte. Für uns steht mit „Bio“ in erster Linie die Qualität im Vordergrund.

Heute produzieren Sie 65 Sorten Fruchtsaft, Sirup und Limonade. Besteht da nicht die Gefahr einer Verzettelung?

Perger: Prinzipiell ja. Aber wir haben ein Produktmanagement geschaffen, bei dem die Produktgruppen von verschiedenen Teams betreut werden. Mit 15 Mitarbeitern haben wir derzeit einen Umsatz von 1,5 Millionen Euro. Wir arbeiten wenig mit Hotel- und Restaurantketten. Die großen Marktführer liefern dort meistens kostenlos, um ihren Namen bei den Verbrauchern stärker zu verankern. Doch überall dort, wo in der Gastronomie Qualität im Vordergrund steht, haben wir sehr gute Chancen.

Warum haben Sie Ihr Familienunternehmen in eine Genossenschaft umgewandelt?

Perger: Die Vermeidung von Bankkrediten und konkrete Wachstumsziele waren die wesentlichen Gründe dafür. Wir wollten aber auch ein Schicksal wie das von Schlecker vermeiden. Es gibt zehn Gründungsmitglieder der Genossenschaft, darunter meine Familie, einen Imker und weitere Unternehmer sowie einen Steuerberater. Insgesamt haben schon 70 Genossenschaftsmitglieder gezeichnet.

Der Befestigungsspezialist Würth behielt seine Bankenunabhängigkeit dadurch, daß nur den erzielten Gewinn investierte.

Perger: Bei dieser Betrachtung darf man nicht vergessen, daß die Landwirtschaft allgemein kapitalintensiver wirtschaften muß als die Industrie. Wir werden in erster Linie ins Marketing investieren. Auch Energieeinsparung und Rationalisierungen sind wichtig.

Wie sehen Sie als Unternehmer die beschlossene Energiewende, die ja nicht nur die Atomkraft, sondern zugleich auch möglichst die Kohlekraftwerke ersetzen will?

Perger: Wenn wir schon vor zehn Jahren konsequent gewesen wären, wären wir schon viel weiter. Radikale Lösungen gefallen mir allerdings nicht, etwa der bei uns in Niederbayern geplante riesige Solarpark auf dem Straubinger Gäuboden. Auch die Förderung von Biogasanlagen geht doch nur zu Lasten von wertvollen landwirtschaftlichen Böden.

Die kritischen Stimmen zum Thema Euro sind inzwischen speziell beim Mittelstand größer geworden. Befürchten Sie nicht, daß die Krise Ihre Pläne bremsen könnte?

Perger: So wie es kommt, wird es kommen. Wir sind ein kleines Familienunternehmen, in Zukunft auf genossenschaftlicher Basis. Unsere Stärke ist, daß wir schnell reagieren können. Bei einem Zusammenbruch wird die inländische Nahrungsmittelproduktion an Bedeutung gewinnen! Ein Trend, der sich inzwischen schon abzeichnet.

Viele Beschlüsse und Richtlinien der EU-Kommission führen zu immer größerem bürokratischen Aufwand. Dies gilt auch für Agrarbetriebe. Ist dies eine zusätzliche Kostenbelastung für Ihr Unternehmen?

Perger: Eindeutig ja! Wir sollten wieder dahin kommen, daß Brüssel nicht über Dinge entscheidet, die zu weit weg von dort sind und die man dort nicht kennt. Schon Otto von Habsburg hat als Abgeordneter des Europaparlamentes darauf hingewiesen, daß viele Entscheidungen in den Regionen selbst besser aufgehoben sind.

Immer lauter fordern Teile der deutschen Wirtschaft eine weitere Lockerung der Zuwanderungsbestimmungen für außereuropäische Einwanderungswillige, um den künftigen Mangel an Fachkräften abzudecken. Leidet Ihr Unternehmen auch unter Personalproblemen?

Perger: Wir brauchen keine Arbeitskräfte von außerhalb der EU. Ich selbst habe beste Erfahrungen mit rumänischen oder polnischen Arbeitskräften gemacht. Viel wichtiger wäre eine echte Familienförderung, mit Kindern, die ohne übermäßige Verwöhnung zu nützlichen Mitgliedern unserer Gesellschaft erzogen werden.

Mit einem Anteil von über 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ist die mittelständische Wirtschaft der bedeutendste Wirtschaftsfaktor in Deutschland. Wegen ihrer heterogenen Struktur ist sie in Politik und Öffentlichkeit aber nur unterrepräsentiert. Ist das aus Ihrer Sicht ein Nachteil?

Perger: Ja! Unsere Behörden und Beamten fördern leider nicht unseren Mittelstand. Als ein Beispiel möchte ich nur die komplexen und langwierigen Genehmigungsverfahren bei Bauvorhaben nennen, die oft einen Zeitraum von über einem Jahr in Anspruch nehmen. Ganz im Gegensatz zum benachbarten Österreich oder auch zur Schweiz, wo ich aus eigener Erfahrung feststellen konnte, daß die dortigen Behörden schon ein Genehmigungsverfahren von sechs Wochen als langwierig ansehen. Ein Traum, wenn man diese Verhältnisse mit unserem Land vergleicht.

 

Der bayerische Fruchtsaftspezialist

Wie der Koblenzer Heraldiker Bernhard Peter berichtet, bestätigte Kaiser Rudolf II. 1593 einem Stefan Perger den alten Adelstitel. In dem Prager Diplom ist die Herkunft der Familie aus Kroatien erwähnt, wo sie sich ursprünglich Vchrovský von Vchrovyna nannte. In den Kämpfen mit dem Osmanischen Reich wurden sie von den Türken vertrieben und aller ihrer Besitztümer beraubt. Sie gelangten zunächst nach Österreich, wo sie den Namen Perger annahmen, um dann bis zum Ende des Zweitens Weltkrieges in Böhmen ansässig zu sein. „Meine Vorfahren waren Agrarfachleute und Juristen und dort seit Generationen als Besitzer oder Verwalter von großen Gütern tätig”, wie Johan Freiherr von Perger der JF erzählte. Eine Besonderheit ist auch, wie der Unternehmer das Wühlmäuse-Problem in seinen Bioanpflanzungen behoben hat: Hungrige Ferkel, wenige Woche alt, wachsen dort auf dem Freigelände auf und werden nach etwa einem Jahr an qualitätsbewußte Metzger veräußert. Inzwischen sind sie stark begehrt, denn ihr Fleisch schmeckt einfach so wie früher, wie Paula Freiin von Perger erzählte.

Kelterei Perger/Breitbrunn am Ammersee www.perger-saefte.de  ,  www.perger-genossenschaft.de

 

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