© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  32/12 03. August 2012

Kein Sieger, aber auch keine Gewinner
Rumänien: Absetzung des bürgerlichen Staatspräsidenten durch Sozialisten mißglückt / Ungarn als Zünglein an der Waage
Carl Gustav Ströhm jun.

Rumäniens sozialistischer Premier Victor Ponta verstand die Welt nicht mehr. Obwohl beim Referendum mehr als 80 Prozent für die Absetzung des unbotmäßigen bürgerlichen Staatspräsidenten gestimmt hatten, kann Traian Băsescu sein Amt behalten.
Alle Erwartungen zum Trotz wurde das Quorum von 50 Prozent Wahlbeteiligung mit 46 Prozent glatt verfehlt. Ponta rang um Fassung und erklärte Konkurrent Băsescu für politisch erledigt.

Băsescu kostete dagegen seinen Erfolg aus und unterstrich nach Veröffentlichung der Hochrechnungen selbstbewußt: „Die Rumänen haben gegen den Staatsstreich gestimmt.“ Nun gehe es aber darum, den „Bruch in der Gesellschaft“ zu beseitigen, versprach der Landesvater, nicht ohne selbstkritisch seine Politik der letzten Jahre zu hinterfragen.

Doch die Fronten zwischen der regierenden Koalition USL (Bündnis der sozialliberalen Union) unter Premier Victor Ponta und seiner Sozialdemokratischen Partei (PSD) und Băsescus Demokratisch-Liberaler Partei (PD-L) sind derart verhärtet, daß die beiderseitigen Aussöhnungsschwüre fadenscheinig klingen.

Denn kaum waren diese verklungen, läuteten die Kontrahenten bereits die nächste Runde ein. Es könne nicht sein, daß der „eigentliche Sieger“ den Präsidentschaftssitz räumen müsse und der „Loser“ wieder im Präsidentenpalais einziehe, erklärte Ponta nach Angaben der Allgemeinen Deutschen Zeitung.

Seit langem tobt zwischen Ponta und Băsescu eine regelrechte Schlacht um Macht und Einfluß, umrahmt von Korruptionsfällen auf beiden Seiten. Gepaart mit wenig Sinn für korrektes politisches Verhalten. Beispiel: Die Ethik-Kommission der Universität Bukarest hatte Mitte Juli die Dissertation Pontas als eindeutigen geistigen Diebstahl bezeichnet. Der Regierungschef hatte bereits vorgesorgt, indem er die Ethik-Kommission des Bildungsministeriums mit PSD-Anhängern neu besetzte, die dann auch prompt das Gegenteil verlauten ließ. Auch in dem von der USL in die Wege geleiteten Amtsenthebungsverfahren setzte Ministerpräsident Ponta alles auf eine Karte, änderte Gesetze, die die Amtsenthebung des Präsidenten erleichterten, entließ unliebsame Amtsträger und löste unabhängige Institutionen auf, welche Kritik an dem Vorgehen übten. Die EU-Kommssion schäumte: „Das Anfechten von juristischen Entscheidungen durch die Politik, die Aushebelung des Verfassungsgerichts, das Außerkraftsetzen etablierter Verfahrensweisen und die Ausschaltung wichtiger Elemente der Gewaltenteilung haben in Frage gestellt, ob sich die Regierung zur Rechtsstaatlichkeit und unabhängiger juristischer Überprüfung bekennt“.

Doch Ponta ließ sich nicht beirren. Den Unmut der Rumänen über den drastischen Sparkurs der bürgerlichen Vorgängerregierung, der mit einer drastischen Kürzung der Renten und einer 25prozentigen Minderung des Mindesteinkommens von rund 400 Euro einherging, im Visier, wähnte sich der Premier kurz vor dem Ziel der Machtübernahme.

Doch die Rumänen machten ihm einen Strich durch die Rechnung. Băsescu konnte sich behaupten und profitierte vor allem durch seinen geschickten Boykottaufruf. Dieser fand auch im ungarischen Premier Viktor Orbán einen Verbündeten, der die ungarische Minderheit in Rumänien ebenfalls dazu ermunterte zu Hause zu bleiben. Größtenteil taten sie dies und avancierten zum Zünglein an der Waage. Pflichtschuldig bedankte sich der siegreiche Verlierer Băsescu bei den 1,6 Millionen „rumänischen Staatsbürgern ungarischer Ethnie“.

Foto: Traian Băsescu wird von seinen Anhängern gefeiert: „Den Bruch der Gesellschaft beseitigen“

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