© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Frühe Seefahrt: Neandertaler besiedelten griechische Inseln
Odysseus’ Vorgänger mit Überaugenwulst
(wk)

Bisher galt als ausgemacht, daß die anatomisch modernen Menschen der Art Homo sapiens die Epoche der Seefahrt einleiteten, beginnend mit Passagen von Südostasien nach Australien vor etwa 50.000 Jahren. Dem widersprechen nun allerdings die neuesten Erkenntnisse des Forschungsverbundes Oceanus an der Universität Patras, welche in Antike Welt (3/2012) vorgestellt werden. Georgios Ferentinos und dessen Kollegen Gkioni, Geraga und Papatheodorou fanden nämlich heraus, daß die ersten Wagemutigen, die vom peloponnesischen Festland zu den Ionischen Inseln übersetzten, Neandertaler waren. Davon zeugen bis zu 125.000 Jahre alte Fundplätze mit den typischen Moustérien-Steinwerkzeugen auf Zakynthos, Kefalonia und Ithaka. Allerdings kam den frühen Seereisenden zugute, daß der Meeresspiegel seinerzeit rund 120 Meter tiefer lag, was den Weg zu den Inseln auf wenige Kilometer erheblich verkürzte: mehr als eine Tagesfahrt mit Sichtkontakt zum Festland beziehungsweise zum Ziel hatten die steinzeitlichen Vorgänger des Odysseus wohl keinesfalls zu bewältigen. Dennoch handelt es sich um eine bemerkenswerte Entdeckung, daß gerade der notorisch unterschätzte und als primitiv verschriene Homo neanderthalensis eher als der „fortschrittliche“ Homo sapiens auf die Idee kam, zu neuen Ufern aufzubrechen.

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