© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Geist der Freiheit
Freedom Fest in Las Vegas: Beim größten Treffen von Libertären Nordamerikas stritten führende Politiker, Unternehmer sowie der Mann von der Straße mit Freude für ihr politisches Ideal
Oliver Seifert

Las Vegas. Für die meisten ist das der Hort für Spieler, Partylöwen oder Gewohnheitstrinker. Doch nun zog das Freedom Fest – das größte Libertären-Treffen in Nordamerika – mehr als zweitausend Politiker, Wirtschafts- und Finanzfachleute, Investoren, Philosophen, Wissenschaftler, Unternehmer und weitere interessierte Gäste an. Sie alle trafen sich am vergangenen Wochenende in Las Vegas, um über den Raub individueller Freiheiten durch die auswuchernde weltweite Staatsgewalt zu diskutieren.

Die Ankunft im Glutofen Nevadas bedeutete für die meisten einen ziemlichen Wetterumschwung, aber der Termindruck ließ niemandem Zeit zum Klagen, denn die Konferenz startete frühzeitig mit dem Film „An Inconsistent Truth“, in dem der Journalist Phil Valentine mit ebensoviel Fakten wie Humor die Behauptungen des ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore über den Klimawandel als „Junk-Science“ demaskiert.

Es folgte der Film von Dinesh D’Souzas, „2016: Obama’s America“, in dem der Autor vermittels zahlreicher Interviews und sorgfältiger Recherchen die persönliche Vergangenheit Obamas beleuchtet, die die Politik des Präsidenten, unter Preisgabe der Prinzipien individueller Selbstbestimmung, Eigenverantwortlichkeit und Freiheit, bis heute beeinflußt.

In den folgenden Tagen ging es um die globale Wirtschafts- und Finanzlage. Kritisch beleuchtet wurde dabei vor allem das keynesianische Mißmanagement der Krise, das zwar kurzfristig den totalen Kollaps des Finanzsystems verzögern mag, langfristig jedoch unweigerlich in den von Inflation und steigenden Zinsraten geprägten Abgrund führen muß.

Steve Forbes, Vorstandsvorsitzender des Wirtschaftsmagazins Forbes, betonte, das desaströse Zusammenwirken von Politik und Wirtschaft müsse endlich aufhören. Banken dürften nicht länger mit durch Steuergelder finanzierte Staatsgarantien dazu verleitet werden, ebenso rücksichtslos wie fahrlässig mit dem Geld ihrer Kunden umzugehen. Dies sei nur durch eine Verkleinerung und eine Entmachtung des Staatsapparates zu erreichen, der nicht ständig in den freien Markt eingreifen und so Politik machen dürfe.

Vor allem Rand Paul, Senator von Kentucky und Sohn des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Ron Paul, wurde von den Teilnehmern der Konferenz laut bejubelt, als er auf die schikanösen Exzesse der Transportation Security Administration (TSA) bei der Durchsuchung von Passagieren auf US-Flughäfen hinwies. Paul ist ein charismatischer und den Grundlagen der amerikanischen Verfassung zutiefst ergebener Mann, der auch in einer Romney-Regierung den libertären Grundsätzen und Zielen kompromißlos Stimme und Gewicht verleihen würde.

Auch der Vorsitzende der Americans for Tax Reform, Grover Norquist, erfreute sich besonderer Popularität. Er ist derjenige, der insgesamt 279 Mitglieder des amerikanischen Kongresses eine Erklärung unterschreiben ließ, mit der sie sich verpflichteten, niemals Steuer-erhöhungen zuzustimmen. Von Demokraten und linkslastigen Journalisten und Kommentatoren als „worst person in Washington“ tituliert, wird er von vielen Republikanern, Konservativen und Libertären als eine einflußreiche Persönlichkeit betrachtet, die die oft ihre Fähnchen nach dem Wind hängenden Washingtoner Politiker bei der Stange hält.

Demgegenüber versprach der Kandidat der Libertarian Party, der ehemalige Gouverneur von New Mexico, Gary Johnson, eine Kürzung des Bundeshaushaltes um 43 Prozent, den Abzug aller Truppen aus Afghanistan, die Schließung von US-Basen im Ausland, die Abschaffung der Zentralbank, die Einführung einer sogenannten Flat Tax sowie zahlreiche andere, den Libertären am Herzen liegende grundsätzliche Veränderungen, wobei sich nur wenige der Illusion hingaben, er habe im Präsidentschaftsrennen eine echte Chance.

Viel wurde darüber diskutiert, ob es sinnvoll erscheine, das für Libertäre kleinere Übel, Mitt Romney, zu wählen, da die Abwahl des wohl sozialistischsten aller Präsidenten das vorrangige Ziel sein müsse. Puristen der libertären Philosophie beharrten darauf, Johnson ihre Stimme zu geben, während der „Realo“-Flügel die Strategie Rand Pauls unterstützte, libertärem Gedankengut innerhalb der republikanischen Partei mehr Gewicht zu verschaffen, um so der Rückbesinnung auf die Werte der Gründungsväter – das unveräußerliche Grundrecht auf Leben, Freiheit und Besitztum –, sowie dem Bestreben nach einer robusten Einschränkung der Staatsgewalt mehr Geltung zu verschaffen.

Über vier Tage lang ließen sich die Teilnehmer der Konferenz keine einzige Stunde entgehen. Journalisten, Rundfunkreporter, Blogger und Internetaktivisten diskutierten leidenschaftlich politische Fragen und wirtschaftliche Probleme. Die großen Namen dieser Konferenz hatten keinerlei Berührungsängste, sondern legten im Umgang mit dem Besuchern viel Offenheit und Herzlichkeit an den Tag.

Nachdem John Browne, Investment Banker bei Morgan, Stanley & Co. und ehemaliger konservativer Abgeordneter in Westminster, bei einer Podiumsdiskussion das Bemühen der Deutschen sowohl um Sparmaßnahmen, als auch um die angebliche Errichtung eines europäischen Imperiums zur Sprache gebracht hatte, gab sich einer der Konferenzteilnehmer ihm gegenüber als Deutscher zu erkennen, und es entspann sich zwischen beiden eine lebhafte und ungezwungene Diskussion über den stetigen Verlust individueller Freiheiten – einen Prozeß, in dem Europa schon seit langem eine bedenkliche Vorreiterrolle eingenommen hat.

Am Abend des letzten Tages sorgte eine Debatte zwischen „Barack Obama“ und „Mitt Romney“, die von „Donald Trump“ moderiert wurde, für viel Vergnügen, und die meisten Teilnehmer trennten sich mit dem Versprechen, sich 2013 wiederzutreffen – während im Hintergrund die inoffizielle Nationalhymne der Vereinigten Staaten, „God Bless the USA“ von dem Country-Musiker Lee Greenwood, gespielt wurde: „And I’m proud to be an American, where at least I know I’m free.“

http://freedomfest.com

Foto: Rand Paul, Senator von Kentucky, als Hauptredner auf dem Freedom Fest 2012: „Schikanöse Exzesse bei der Untersuchung von Fluggästen“

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