© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  30-31/12 20. Juli / 27. Juli 2012

Zwischen Reichstag und Kanzleramt
Treibjagd auf Kristina Schröder
Marcus Schmidt

Die Opposition schäumt, und ein Großteil der Presse von der taz bis zur Süddeutschen Zeitung gibt bereitwillig Feuerunterstützung. Rechtzeitig zur parlamentarischen Sommerpause, die in diesem Jahr aufgrund der für diesen Donnerstag angesetzten Sondersitzung des Bundestages zur Euro-Rettung sowieso kürzer ausfällt, hat Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) die Leiterin der Abteilung „Gleichstellung und Chancengleichheit“ ihres Ministeriums, Eva Maria Welskop-Deffaa, in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Eine Entscheidung, die für sich genommen nichts Ungewöhnliches ist, ebenso wie der Umstand, daß Schröder auf eine Begründung verzichtete.

Über eben diese Gründe für die Entlassung der 53 Jahre alten Welskop-Deffaa wird in Berlin nun eifrig spekuliert. Für die Hauptstadtjournalisten am reizvollsten ist dabei die Zickenkrieg-Theorie. Diese besagt, daß Welskop-Deffaa dem Streit zwischen Schröder und ihrer Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen zum Opfer gefallen ist. Denn die Abteilungsleiterin hat Schröder ebenso wie das Ministerium von ihrer Parteifreundin übernommen. Die beiden grundverschiedenen Politikerinnen gelten nicht eben als enge Freundinnen.

Dann gibt es da noch die Frauenquoten-Theorie, die bei genauer Betrachtung eine Verfeinerung der Zickenkrieg-Theorie ist. Danach hat die Entlassung Welskop-Deffaas inhaltliche Gründe. Es heißt, die Abteilungsleiterin habe allzu große Sympathien für eine feste Frauenquote in Aufsichtsräten von Unternehmen erkennen lassen und damit die Linie ihrer Ministerin verlassen, die diese nur auf freiwilliger Basis einführen möchte. In dieser Frage liefert sich Schröder seit Monaten eine Abnutzungsschlacht mit Arbeitsministerin von der Leyen, womit wir wieder bei der Zickenkrieg-Theorie wären.

Doch keine dieser Theorien erklärt die Heftigkeit der Reaktionen auf die Entlassung der Abteilungsleiterin. Die Ursachen für die Aufregung liegen tiefer. Schröder steht bei der Opposition und weiten Teilen der Medien ganz oben auf der „Abschußliste“, da sie bereits mehrfach mit Entscheidungen angeeckt ist, die nicht unbedingt dem entsprechen, was in Berlin als „fortschrittlich“ angesehen wird. Sei es das als „Herdprämie“ diffamierte Betreuungsgeld für Eltern, die ihre Kleinkinder nicht in eine Kita geben wollen, oder die sogenannte Extremismusklausel, die allen Organisationen, die vom Staat Geld im „Kampf gegen Rechts“ haben wollen, ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz abverlangt. Auch daß Schröder sich schon als Abgeordnete mit den Gefahren von Linksextremismus und Islamismus beschäftigt hat, haben ihre Gegner nicht vergessen.

Die SPD-Politikerin und frühere Vorsitzende des Familienausschusses Kerstin Griese, nannte es in der Süddeutschen Zeitung nun „einen Skandal, daß eine kompetente Abteilungsleiterin ein Jahr vor der Wahl rausgeworfen wird“. Wenn eine Oppositionspolitikern sich so für eine Ministeriumsmitarbeiterin ins Zeug legt, drängt sich der Verdacht auf, daß Schröder mit ihrer Entscheidung doch richtig lag.

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