© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  29/12 13. Juli 2012

Haltungsnote
Kandidatin der guten Absicht
Christian Schwiesselmann

An der Kieler Förde hält die SPD  nach einem neuen Kapitän Ausschau, nachdem der onkelhafte OB Thorsten Albig als Ministerpräsident in die Staatskanzlei gewechselt ist. Damit am 28. Oktober wieder ein Roter im Rathaus residiert, werben die Genossen bundesweit um Kandidaten.

Nun warf mit Susanne Gaschke eine Journalistin ihren Hut in den Ring. Die 45jährige leitet in der Zeit-Redaktion den Bereich Junge Leser und ist aus gemeinsamen AStA-Tagen mit dem SPD-Bundestagsabgeordneten Hans-Peter Bartels verheiratet. „Oberbürgermeisterin meiner Heimatstadt ist so ziemlich die interessanteste Aufgabe, die ich mir vorstellen kann: sehr anspruchsvoll, sehr nah an den Menschen und Problemen und dem Leben“, floskelte die promovierte Anglistin in der Welt los, ganz so als hätte sie zu Lebzeiten nie etwas anderes als Politik gemacht.

Zugleich verriet die politische Kolumnistin unfreiwillig, daß sie in „frechen Glossen“ (Gaschke über Gaschke) nicht immer nah dran an den „Menschen und Problemen“ war: Beispielsweise als sie 2004 Egon Bahr – auch ein Journalist in der Politik – für sein Interview mit dieser Zeitung schalt: Die JF sei „kein Bürgertreff, wo man verirrte Skinheads besozialarbeitet“, sondern „eine Zeitung der bösen Absicht“. Diese bestehe darin, „auf ihren Seiten möglichst wenig Tatbestände zu erfüllen und doch zu suggerieren: Wir können auch anders. Bildet euch nicht ein, die BRD sei das letzte Wort!“

Die Mutter, Gegnerin der Frauenquote und Autorin von Büchern über Erziehungskatastrophen, Emanzipationsfallen, kinderlose Länder und verkaufte Kindheiten walze in „postfeministischer Manier“ Bildungsfragen auf die Eltern ab, ätzte kürzlich die taz. Mag sie auch an das letzte Wort glauben: Dem konservativen Denken dürfte die selbsternannte „Kulturpessimistin“ näherstehen, als es ihr lieb ist.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen