© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  28/12 06. Juli 2012

Umwelt
Böhmische Borkenkäfer
Paul Leonhard

Dürfen vom Borkenkäfer befallene Bäume gefällt werden? Diese Frage beschäftigt die EU-Kommission. Aktuell geht es um befallene Fichtenbestände im Nationalpark Böhmerwald. Ende Juni kündigte die Parkverwaltung an, betroffene Bäume wie im Vorjahr abzuholzen, um so das Ausbreiten des Borkenkäfers zu verhindern. Dagegen machen erneut Umweltverbände mobil, der Borkenkäfer sei „integraler Bestandteil der Naturprozesse“. Um die Abholzaktion zu verhindern, hatten sich 2011 einige Öko-Aktivisten an Bäume gekettet, andere demonstrierten. Die Nationalparkverwaltung rief das Prager Innenministerium, das 50 Polizisten gegen die 60 Demonstranten schickte. Knapp drei Wochen währte der Streit. Dabei stellte sich heraus, daß offenbar mit staatlicher Genehmigung auch Pestizide eingesetzt wurden. Insgesamt wurden 4.200 befallene Bäume gefällt und 1.300 entrindet – doch danach ging es weiter.

Der tschechische Ombudsmann Pavel Varvařovský sprach von einer illegalen Aktion und forderte, künftig das tschechische Umweltgesetz und EU-Recht zu beachten. Ein im Auftrag der Nationalparkverwaltung erstelltes Gutachten slowakischer Wissenschaftler ergab dagegen, daß die Eingriffe in den Nationalpark nicht gegen EU-Recht verstoßen würden und langfristig sogar positive Effekte hätten. Dies akzeptierte das Ministerium nicht. „Es enspricht nicht der Natura-2000-Richtlinie“, sagte Vizeumweltminister Tomáš Tesař und alarmierte die EU. Inzwischen hat Umweltkommissar Janez Potočnik seinerseits vom tschechischen Ressortkollegen gefordert, daß das flächendeckende Fällen von Bäumen im Böhmerwald aufhören müsse. Die Bergkette sei ein bedeutendes Ökosystem mit spezifischen Tier- und Pflanzenarten. Trotzdem röhren zur Zeit nahe des Ortes Mader (Modrava) die Motorsägen. Ursprünglich hatte die Nationalparkverwaltung versprochen, in diesem Jahr das Borkenkäferproblem durch Entrinden der über tausend betroffenen Bäume zu lösen.

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