© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Stimme des Meeres
Der Orgelbau Hey hat die lauteste Freiluftorgel der Welt konstruiert: Eine Attraktion auf der laufenden Weltausstellung in Südkorea
Paul Leonhard

Eine Orgel ist das akustische Erkennungszeichen der Expo in Südkorea. Bis zum 12. August erklingt sie täglich morgens und abends. Auch nach dem Ende der Weltausstellung soll sie weiter für Konzerte genutzt werden. Fünf Kilometer tönt die lauteste Freiluftorgel der Welt in das Land. Bei geringen Lautstärken klingt sie flötenartig perlend ähnlich einer Panflöte, mit zunehmender Lautstärke wird der Ton hornartig, entfaltet eine gewaltige Kraft, erinnert an die Nebelhörner der Schiffe.

„Vox Maris – die Stimme des Meeres – ist aus dem Gedanken heraus geboren, das Motto der Expo ‘The living ocean and coast’ in die Klänge einer Pfeifenorgel zu transferieren“, heißt es auf der offiziellen Seite der Deutschen Botschaft in der Republik Korea: „Mit der internationalen Sprache der Musica die Herzen der Menschen zu erreichen, ist ein großes Geschenk, das wir mit der Vox Maris mächtig über das Land und den Ozean erklingen lassen.“

Daß die Botschaft der Pfeifenorgel in der südkoreanischen Küstenstadt Yeosu so großen Raum einräumt, liegt am Hersteller. Das gigantische Instrument ist „Made in Germany“. Der Orgelbauer Herbert Hey und sein Sohn Thomas haben es entworfen und gebaut. Die Familie stellt die Königin der Instrumente bereits in der sechsten Generation her. In Urspringen, einem kleinen Ortsteil von Ostheim/Rhön, befindet sich das Traditionsunternehmen.

„Die Herausforderung für den Orgelbau besteht darin, Raum und Orgel in eine klingende Symbiose zu bringen“, sagt Herbert Hey. Die Orgel könne eine ungeheure Vielfalt an Tönen hervorbringen und verfüge gleichzeitig über eine von keinem anderen Instrument erreichte raumfüllende Kraft. Das war auch dem koreanischen Professor Hong Seung-pyo von der Hankyong-Universität bewußt, der für die Expo in Südkorea etwas ganz Besonderes suchte, ein akustisches Erkennungszeichen. Und da es in Südkorea keine Orgelbautradition gibt – die erste Orgel des Landes stammt vom berühmten französischen Orgelbauer Cavaillé-Coll und wurde 1924 in die katholische Myeongdong-Kathedrale eingebaut –, wandten sich die Koreaner an Hey-Orgelbau und setzten auf die Erfahrung von mehr als 250 Jahren.

Trotzdem war für die deutschen Meister der Auftrag eine Herausforderung. Denn die Koreaner wollten keine Orgel im klassischen Sinn, sondern eine robuste und vor allem laute Freiluftorgel.Mit Hey-Orgelbau hatten die Koreaner schon gute Erfahrungen gemacht. Die Orgel der katholischen Pyeongnae-Kirche in Namyangju, einer Trabantenstadt von Seoul, stammt aus Urspringen. Fünf Meter ist diese Orgel hoch und besitzt 590 Pfeifen, zehn Register, Wechselschleifen und zwei Manuale.

Bis zu zwölf Meter hoch sind dagegen die 80 Orgelpfeifen der Freiluftorgel „Vox Maris“, die entsprechend dem Expo-Motto „Der lebende Ozean und die Küste“ direkt am Meer steht. Die Orgelpfeifen sind in einer überdimensionalen Harfe, dem sogenannten Sky Tower angebracht. Dabei handelt es sich um zwei, früher als Betonsilos genutzte Rundtürme. Um eine Orgel zu bauen, die den Wünschen der Koreaner entspricht, mußten die Handwerker an der Rhön das Instrument quasi neu erfinden. Ein völlig neuer Pfeifentyp wurde entwickelt, der auf der Funktionsweise einer Dampforgel basiert. Dabei wird die Luft von einem Druckluftkompressor, so groß wie eine Garage, in die 80 Pfeifen gepumpt. Der Lufttank umfaßt fast zwei Stockwerke. Lange tüftelte Thomas Hey an dem Material für die Pfeifen, denn diese sind großen Temperaturunterschieden ausgesetzt. Eine Mischung aus Edelstahl, Kupfer und Messing wurde gewählt.

„Wir sind stolz, daß wir so etwas geschaffen haben und ein Stück Deutschland nach Südkorea gebracht haben“, sagt Herbert Hey und betrachtet die monumentale High-Tech-Orgel. Von einer „technischen Meisterleistung“ spricht auch Anja Ehrke, Direktorin des Deutschen Pavillons in Yeosu. Das Wunderwerk von der Rhön trage dazu bei, in Südkorea ein positives Deutschlandbild zu verbreiten.

Unter den asiatischen Liebhabern von Orgelmusik genießen die deutschen Orgelbauer ohnehin ein hohes Ansehen. In Südkorea ist nicht nur Hey aktiv, sondern auch die Firma Jäger & Brommer aus Waldkirch. Ihre Orgeln stehen beispielsweise in der „Seoul Hong Sung Community“-Kirche und in der Keimyung Universität in Daegu. Und mit Hong Sung Hoon gibt es auch den ersten Orgelbaumeister. Gelernt hat er sein Handwerk von 1987 bis 1997 – natürlich in Deutschland.

www.hey-orgelbau.de

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