© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  27/12 29. Juni 2012

Pankraz,
M. Mosebach und die Gotteslästerung

In einem umfänglichen Artikel für die Berliner Zeitung hat sich der treffliche Schriftsteller Martin Mosebach auf heikelstes Gelände begeben, indem er eine volle Lanze für die Strafbarkeit von Blasphemie, also von Gotteslästerung, in der Kunst bricht. Der linke Kulturbetrieb hat ihn deshalb sogleich niedergerdonnert, manche seiner Bewunderer hat er in Ratlosigkeit gestürzt. Der „Fall“ verdient eine genauere Beleuchtung.

Mosebach sagt nicht direkt, daß man künstlerische Gotteslästerer justitiell belangen sollte, aber seine Worte sind doch recht deutlich. „Ich will nicht verhehlen“, schreibt er, „daß ich unfähig bin, mich zu empören, wenn in ihrem Glauben beleidigte Muslime blasphemischen Künstlern – wenn wir sie einmal so nennen wollen – einen gewaltigen Schrecken einjagen. (…) Der Künstler, der in sich den Ruf fühlt, den Glauben derjenigen, für die Gott anwesend ist, verletzen zu müssen, der ist – davon bin ich überzeugt – dazu verpflichtet, diesem Ruf zu folgen. Die daraus entstehenden Unkosten wird er generös begleichen, auch wenn sie seine Existenz gefährden.“

Es sind in dem Artikel also ausdrücklich die blasphemischen Künstler gemeint, die gegen die superstrengen Scharia-Regeln in den islamischen Ländern aufbegehren. Für jene hingegen, die heute das Christentum verhöhnen, indem sie etwa (siehe die Installation von Dorota Nieznalska) statt Jesus einen riesigen Penis ans Kreuz nageln, hat Mosebach nur Verachtung. Es sind seiner Meinung nach feige Konjunkturritter, die ohne jedes Risiko für sich selbst in den Medien billigste Zustimmung erregen wollen.

Wie aber steht es mit den von Mose­bach anvisierten Islam-Blasphemikern? Bei ihnen setzt er voraus, daß sie ohne jedes schlaue Kalkül einzig dem Ruf ihres inneren Künstlerseins folgen und die Risiken dafür in Kauf nehmen. Ist es da nicht ein bißchen allzu flott, von bloßem „Schreckeneinjagen“ und bloßen „Unkosten“ zu sprechen, die sie eventuell „generös begleichen“ sollen? Schließlich geht es da, wie längst jeder weiß, um Leben oder Tod, um Folter, Kerker und totalen Ausschluß aus der Menschengemeinschaft. Solche „Unkosten“ von einem Künstler zu fordern, ist unmenschlich.

Auch Künstler sind nur Menschen, gerade sie. Außerdem geht es in dem Artikel von Mosebach speziell um bildende Künstler, die sich im Islam schon straf- und todeswürdig machen, wenn sie, völlig abgesehen von den Inhalten, einfach ihrem Beruf nachgehen wollen. Denn im Islam ist die Verbildlichung Gottes und seines Propheten und aller irgendwie damit verbundenen Verhältnisse strikt verboten, bildende Künstler unterliegen dort schon seit Olims Zeiten faktisch einem Berufsverbot.

Und nicht genug damit. Die Islamisten fordern neuerdings auch von den zwar säkularisierten, aber durchaus von christlicher Tradition fundierten Demokratien des Westens völlig ungeniert das Bilderverbot. Nicht daß der dänische Zeichner Westergaard seinerzeit Mohammed in der Zeitung Jyllands-Posten karikierte, war sein eigentliches Verbrechen, sondern daß er es überhaupt gewagt hatte, den Propheten ins Bild zu setzen. Seitdem wird er von Attentätern verfolgt, und seine Zeitung wird sich hüten, je wieder eine einschlägige Zeichnung zu veröffentlichen.

Natürlich hat Martin Mose-bach völlig recht: Die Gleichgültigkeit des hiesigen Staates und der hiesigen Öffentlichkeit gegenüber blasphemischer künstlerischer Verhohnepiepelung christlicher Symbolik à la Nieznalska ist ein Skandal und sicheres Indiz dafür, daß das geistige Niveau und der Stil hierzulande immer weiter herunterkommen. Trotzdem gilt wohl auch und hat immer gegolten: Die Grenzen zwischen Blasphemie und skrupelhaft ins Bild gesetztem Gottesrespekt sind fließend, lassen zahllose Variationen zu, über deren Karat man sich fast endlos streiten kann.

Frühere, polytheistische Kulturen mit einem vielfältigen Götterhimmel verlegten die Blasphemie gewissermaßen in diesen Götterhimmel selbst, ließen die Götter sich gegenseitig beschimpfen oder sich mit „unendlichem Gelächter“ (Homer) zudecken. Als einzige menschliche Blasphemie galt es, die jeweiligen Sitze der Götter hier auf Erden, zum Beispiel heilige Bäume, zu verunreinigen oder zu zerstören. Das war dann „Baumfrevel“, für den im Altertum, von Griechenland bis Indien, die furchtbarsten Strafen verhängt wurden.

Das änderte sich in Mitteleuropa erst im achten Jahrhundert n. Chr., als der äußerst agile und inspirierte christliche Missionar Wynfreth (Bonifatius) in der Nähe der heutigen hessischen Stadt Fritzlar unter größtem Aplomb die gewaltige Eiche des Gottes Donar umlegen ließ. Spätere Chronisten vermeldeten die Tat als „Geburt des chistlichen Glaubens in Germanien“, und der Papst erhob Bonifatius zum Heiligen. Aus heutiger Sicht darf man hinzufügen: Bonifatius war einer der größten Blasphemiker der Weltgeschichte, und man wagt nicht einmal anzugeben, ob sich seine Tat letztlich gelohnt hat.

Wie konstatiert Mosebach in seinem Artikel nicht ohne Bitterkeit: „Heute ist in der Öffentlichkeit die Meinung mehrheitsfähig, die Christen seien geradezu dazu verpflichtet, die Schmähung ihres Glaubens klaglos hinzunehmen. Atheisten mit lückenhafter Bibelkenntnis fordern Christen angesichts einer Blasphemie dazu auf, nach dem Gebot ihres Meisters ‘auch die andere Wange hinzuhalten’. Aber auch auf der christlichen Seite gibt es ohnehin keinen Protest. Auch Bischöfe blicken verlegen zur Seite, wenn von Blasphemie die Rede ist, sie wollen sie bloß nicht wahrnehmen, um nicht Stellung beziehen zu müssen.“

Pankraz stimmt der Diagnose vorbehaltlos zu. Als Therapie sollte man jedoch um Himmels willen nicht die gnadenlose Verfolgungswut der Islamisten an die Wand malen, wie es Mosebach faktisch tut, wenn er schreibt, daß durch die antiblasphemische Agitation der muslimischen Migranten „wieder Musik in die Sache gekommen“ sei. Todesdrohungen und Steinigen sind keine Musik.

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