© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Haltungsnote
Der Sprengmeister
Christian Schwiesselmann

Es gibt in Deutschland eine Reihe von dauerkommentierenden Altpolitikern, die man eigentlich vor sich selbst schützen müßte. Der mittlerweile 82jährige Ex-CDU-Generalsekretär Heiner Geißler gehört in diese Kategorie. Kein bißchen altersweise, forderte der frühere Spitzenpolitiker kürzlich in der ZDF-Kultursendung „Aspekte“ die Sprengung eines Berliner Wahrzeichens: der Siegessäule. „Das unnötigste und sinnloseste Denkmal, das in ganz Deutschland herumsteht“, geiferte das bundesrepublikanische Politikfossil selbstvergessen über die „dämliche Siegessäule“. Das Denkmal, das während der Einigungskriege entstand, 1873 eingeweiht und 1938/39 von seinem Ursprungsplatz vor dem Reichstag in den Tiergarten versetzt wurde, feiere den Triumph der preußischen Armee gegen die eigenen Landsleute und die Franzosen.

In ihm seien die Kanonen eingelassen, mit denen die Leute aufeinander geschossen hätten, urteilt der Jurist, der mit einer Arbeit über das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach Artikel 4 Absatz 3 des Grundgesetzes zum Dr. iur. promoviert wurde.

Der ehemalige Bundesminister unter Helmut Kohl hält die Siegessäule auch architektonisch für „eine Katastrophe“. Der goldene Engel – daher der Berliner Ausdruck „Goldelse“ – auf der Säule sei „überdimensioniert“ und „häßlich“. „Man guckt ihm unter den Rock, aber da ist dann massives Metall“, entblödete sich Geißler diesmal nicht als Globalisierungs-, sondern als Architekturkritiker. Sein Verdikt: „ein künstlerisches Desaster“.

Auf die Frage des Journalisten, ob die Siegessäule aus seiner Sicht stehen bleiben solle oder abgerissen werden müsse, antwortete der Jesuitenschüler, der seinen Ruf als CDU-Querdenker vor allem der Übernahme linker Radikalrhetorik verdankt, explosiv: „Sprengen. Anders geht es nicht.“

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