© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/12 22. Juni 2012

Der Flaneur
Billige Schwarten
Josef Gottfried

Ein sonniger Samstag in Dresden, und wir besuchen den Flohmarkt in einer recht barock anmutenden, gepflegten Gegend. Eifrig grabe ich in einer von vielen Bücherkisten, um noch einen Schatz zu ergattern, so als ob der Händler die Schätze nicht ohnehin schon aussortiert hätte.

Nun, wer das Füllen des heimischen Regals als Wertanlage betrachtet, ist ohnehin ein armer Fink, tröste ich mich, es geht ja um die spektakulären Inhalte! Während ich also den einen Karton auf links drehe und mich durch Unterhaltungsromane wühle, unterlasse ich den flüchtigen Seitenblick zu meiner Frau, die sicher schon weiter möchte. Heute habe ich vielleicht kein Glück, denke ich mir.

Aber dann! Ich gerate an einen Karton, der aus der Haushaltsauflösung eines linken Intellektuellen kommen muß, Zola, Lukács, Mann, Marx, zwei bis drei Bücher habe ich mir schon zur Seite gelegt. Das Verlagswesen in der DDR war gar nicht so schlecht, nur einseitig, und heute werden einem diese damals schon billigen Bücher noch billiger hinterhergeschmissen.

Der Stand wird von einem Rentnerehepaar betrieben, ich bemerke, daß meine Frau mit der Dame des Standes ins Gespräch gekommen ist. Der Herr, mit Marxschem Vollbart und Latzhose, schaut etwas – so scheint’s mir jedenfalls – spöttisch auf mich herunter. Es sei doch ein recht bürgerliches Hobby, so nach Büchern zu schauen, meint er.

Ich kann diesen Kommentar nicht einsortieren, zeige auf die aussortierten Bücher und antworte: „Was wolln’se denn dafür haben?“ – „Sie kommen nicht von hier, oder?“ – „Sind zwölf Euro okay?“ – „Zwanzig!“ – „Fuffzehn und das hier noch dazu.“ So kommen wir dann ins Geschäft. Als wir dann gehen, murmelt er so etwas wie: „Ich kann diesen Dialekt nicht leiden.“ Er meint mein Hochdeutsch! Aber vielleicht habe ich mir das auch nur eingebildet.

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