© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Der Flaneur
Panzerknacker bei der Arbeit
Ronald Gläser

Meine Frau und ich diskutieren zuweilen darüber, wie wir unsere Tür besser absichern können. Ein Querriegelschloß oder eine Metallpanzerung schweben uns vor. Kostet aber auch alles Hunderte von Euro. Geschehen ist daher bislang noch nichts.

Das hat sich nun geändert und zwar so: In einer heißen Nacht wache ich kurz nach drei auf. Da – ein Geräusch. Unser Nachbarhaus ist eingerüstet. Manchmal schlägt die Plastikplane gegen das Gerüst. Und es gibt Katzen. Also kein Grund, sich Sorgen zu machen, denke ich. Doch dann fällt mir ein, daß mein Nachbar wenige Stunden zuvor zu mir gesagt hat, daß beim Juwelier im Nachbarhaus neulich eingebrochen wurde. Ich stehe auf und schaue aus dem Fenster.

Siehe da, für ein Augenzwinkern ist der Schein eines Handydisplays zu sehen. Jemand macht sich am rückwärtigen Fenster des Juweliers zu schaffen. Um 3.06 Uhr geht mein Anruf bei der Polizei ein. „Hallo, hier Gläser. Schicken Sie doch mal eine Funkstreife.“ Ich überlege, ob ich rausgehe und den Typen stelle. Und wenn es zwei sind? Während ich noch das Risiko abwäge und mir die Hose anziehe, treffen um 3.11 Uhr mehrere Polizeifahrzeuge ein.

Die Einbrecher haben ihr Werk genau in diesem Moment vollendet. Am Fenster stehend habe ich den besten Kinoblick. Gut, daß ich nicht nach unten gegangen bin: Gleich drei vollständig in Schwarz gekleidete Bilderbuch-Einbrecher kommen aus dem Fenster geklettert und machen sich davon. Einer trägt einen großen Plastiksack auf dem Rücken. Die Polizei hat sich vor dem Haus und in einer Nebenstraße postiert, blockiert den möglichen Fluchtweg der Täter.

Die Panzerknackerbande ergreift die Flucht. Über etliche Zäune flüchten die Täter. Die Polizisten erwischen sie nicht mehr. Der Trost: Die Täter haben beim Anblick der Beamten die Beute fallen gelassen. Ein großer 60-Liter-Sack voll mit Gold, Schmuck und Uhren. Am nächsten Tag bin ich dann in den Baumarkt gefahren. Endlich eine superschwere Sicherheitstür ordern. Sicher ist sicher.

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