© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

„Deutschland hat alles verschlimmert“
Wirtschaftsliteratur: George Soros bietet fragwürdige Lösungsvorschläge zur Euro-Krise / Warnung vor „Kernschmelze“
Christian Schwiesselmann

George Soros ist nicht nur ein alter Finanzfuchs, der Hedgefonds-König will auch gerne am großen Rad drehen. Seit dem Platzen der Subprime-Blase 2007 tritt der US-Multimilliardär, der einen Teil seines Vermögens Wetten gegen Währungen verdankt, vermehrt als Krisenberater auf, etwa in der Financial Times oder dem Wallstreet Journal. Seine „Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika“ sind nun in Buchform erschienen.

Soros’ Hauptthese könnte von Rot-Grün stammen: Nicht der kreditfinanzierte Tsatsiki-Sozialismus, sondern Angela Merkel habe die Euro-Krise verschuldet, weil sie nach der Lehman-Pleite von 2008 nicht sofort Euro-Bonds eingeführt hat. Im Gegenteil: Sie beharrte auf der nationalstaatlichen Einzelhaftung. „Und Deutschlands Zögern verschlimmerte auch die Krise Griechenlands und verursachte die Ansteckung, die sie zu einer für Europa existentiellen Krise machte“, so Soros. Daß die Bundesregierung dann gegen geltendes EU-Recht verstoßen hätte, interessiert den linksliberalen Weltbürger wenig. Merkel müsse auf die Opposition zugehen und der deutschen Öffentlichkeit suggerieren, daß „ein Zusammenbrechen des Euros eine Kernschmelze nach sich ziehen würde“. Nichts anderes tut die Frau seit Jahr und Tag!

Der Schüler des Philosophen Karl Popper, der nach dem Zweiten Weltkrieg an der London School of Economics studierte, hat einen Sieben-Punkte-Plan zur Rettung der Euro-Zone entworfen, der darauf hinausläuft, den temporären Rettungsfonds EFSF zu einer „bad bank“ für Anleihen aus EU-Pleitestaaten umzufunktionieren. Die Europäische Zentralbank (EZB) soll dadurch ohne Satzungsänderung in die Rolle eines letzten Kreditgebers schlüpfen. „Die EZB würde praktisch unbegrenzte Mengen an Liquidität bereitstellen, während die EFSF die EZB gegen die Solvenzrisiken absichern würde, die sie eingehen würde“, schreibt Soros gemeinsam mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger.

Soros versteht sich als „Philosoph“ unter den Finanzmagnaten. Die Märkte seien nicht effizient und rational, weil mit dem Eingreifen denkender und handelnder Subjekte ökonomische Kausalketten durchbrochen würden. „Vielmehr werden die Finanzmärkte von Eindrücken und Emotionen beherrscht und sie verabscheuen Unsicherheit.“ Dadurch entstünden, wie Soros bereits in seinem Buch „Die Alchemie der Finanzen“ entwickelt hat, asymmetrische Spekulationsblasen. Kognitive Rückkopplungsschleifen der Marktsubjekte und der Politik bedingten ein kontinuierliches Wechselspiel, das nur einer durchschaut: George Soros.

Sein Sendungsbewußtsein spiegelt sich auch in seiner Europa-Vision wider: Eine Rückbesinnung auf nationalstaatliche Souveränität kommt für den Anhänger der „offenen Gesellschaft“ (Popper) nicht in Frage. Statt dessen möchte der 81jährige, dessen Stiftungsnetzwerk Open Society Foundations nach dem Zusammenbruch des Kommunismus weltweit „lebendige und tolerante Demokratien“ etablieren soll, die EU als „phantastisches Objekt“ wiederentdecken. Soros’ Rationalismus ist – wie schon der Poppers – kaum noch „kritisch“ gegenüber den eigenen Voraussetzungen, sondern entgleitet zunehmend nach Utopia – dem entgrenzten Globalismus der westlichen Moderne. Jeder praktisch veranlagte Wirtschaftspolitiker, der das Portemonnaie des deutschen Steuerzahlers schonen will, sollte daher Soros’ Krisenrezepte genau studieren – und dann das Gegenteil machen.

George Soros: Gedanken und Lösungsvorschläge zum Finanzchaos in Europa und Amerika. Plassen Verlag, Kulmbach 2012, 160 Seiten, gebunden, 24,90 Euro

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