© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

„Immer brutaler“
Während bei der EM wieder „gegen Rassismus“ demonstriert wird, wächst die Gewalt auf deutschen Fußballplätzen – und der DFB ignoriert die Entwicklung
Moritz Schwarz

Herr Pradt, haben Sie Angst?

Pradt: Nein, aber ich habe Verständnis, daß es Kollegen gibt, die Angst haben.

Warum?

Pradt: Weil sie fürchten, daß es ihnen so ergeht wie den beiden Schiedsrichtern bei uns in der Gegend, die von türkischen Spielern – einmal in der Bezirksliga, das andere mal in der B-Jugend – ins Krankenhaus geprügelt wurden.

Zwei Extremfälle.

Pradt: Keine Frage, aber so was passiert immer wieder. Es gibt inzwischen Kollegen, die sich nicht mehr trauen, einen Spieler vom Platz zu stellen, der eigentlich fällig ist, weil sie nach dem Spiel unbeschadet nach Hause kommen möchten. Das kann nicht sein.

Wie schlimm ist die Lage wirklich?

Pradt: Ich will mal klarstellen: Überwiegend verlaufen die Spiele friedlich. Die Anzahl der Spielabbrüche liegt im unteren Promillebereich, bei etwa 10.000 Spielen gibt es vielleicht drei Abbrüche. Der Fußball ist kein Hort der Gewalt. Andererseits nimmt die Aggressivität zu, die Respektlosigkeiten werden schlimmer, die Gewalt brutaler, und die Zahl der Spielabbrüche steigt. Und Gewalt, egal in welcher Form und von wem sie ausgeht, gehört nicht auf den Sportplatz!

Der Frankfurter Kreisschiedsrichterobmann etwa hat öffentlich beklagt: „Schiedsrichter werden beworfen, in den Unterleib getreten, ins Gesicht geschlagen.“

Pradt: Kennen Sie den Witz aus der Schiedsrichterprüfung: „Wozu dient der Mittelkreis?“ Antwort: „Als Schutzkreis, hier darf er nicht geschlagen werden.“ Mich wundert nicht, daß manche Kollegen aufgeben.

Kennen Sie selbst solche Fälle?

Pradt: Natürlich.

Wie viele?

Pradt: Es werden immer mehr.

Konkret?

Pradt: Selbst gestandene Kollegen ziehen Konsequenzen, und wir verlieren inzwischen rund dreißig Prozent unserer Schiedsrichterneulinge in den ersten drei Monaten.

Acht- bis zehntausend Schiedsrichter werden pro Jahr ausgebildet. Im Zusammenhang mit der zunehmenden Gewalt weist der DFB aber darauf hin, daß „die meisten“ wieder abspringen.

Pradt: Darüber sollten die Herren vom DFB vielleicht mal nachdenken.

Inwiefern?

Pradt: Die Kollegen haben es satt, übel beschimpft, teils mit rassistischen Ausdrücken tituliert zu werden oder mit zerkratztem Auto – wie 2011 bei uns in Hattersheim – den Heimweg anzutreten.

Was haben Sie selbst schon erlebt ?

Pradt: Echt brenzlig wurde es für mich, als ich einen Strafstoß pfiff. Heil rausgekommen bin ich da nur, weil ich von der anderen Mannschaft geschützt wurde.

Dennoch haben Sie keine Angst?

Pradt: Vielleicht bin ich etwas blauäugig. Sicher wird es auch mir manchmal mulmig, aber ich verlasse mich auf mein persönliches Konzept der Deeskalation.

Das da lautet?

Pradt: Fairneß und Konsequenz: Ich gehe zur Paßkontrolle vor dem Spiel in die Kabine und mache klar, ich erwarte, daß das Spiel fair und friedlich über die Bühne geht. Daß ich bestrebt bin, wie jeder Spieler, eine gute Leistung zu bringen. Daß der Schiedsrichter aber auch nur ein Mensch ist und Fehler machen kann. Die Spieler sollten das respektieren und meine Entscheidungen hinnehmen.

Und das klappt?

Pradt: Ich bin der Schiedsrichter in unserer Vereinigung, der die wenigsten Karten zeigt.

Dennoch gibt es Partien, die zu pfeifen Sie sich weigern.

Pradt: Weil ich es leid bin, als „Arschloch“, „Wichser“, „Hurensohn“ oder „alter Nazi“ beschimpft zu werden. Da hört der Spaß auf.

„Der Fußball hat kein aktuelles Gewaltproblem“, meint allerdings der Vizepräsident des Fußballverbands Mittelrhein, schließlich sei es in den achtziger Jahren auch nicht anders gewesen.

Pradt: Das ist Unsinn.

Warum?

Pradt: Natürlich hat es auch früher so was gegeben – aber nicht in dem Maße. Früher fingen die Probleme in der A-Jugend an, also wenn die siebzehn, achtzehn waren, heute geht das ja schon in der C-Jugend, also mit vierzehn los. Auch früher wurde aufgemuckt, aber wenn der Schiedsrichter ein Machtwort sprach, dann war Ruhe. Heute heißt es: „Nerv nicht, Alter!“ oder Schlimmeres. Und wo früher gepöbelt wurde, wird heute geprügelt. Viele kapieren nicht, daß sie sich an Spielregeln zu halten und Schiedsrichter zu respektieren haben. Die gleichen Probleme, die Lehrer in den Schulen haben, haben wir auf dem Platz.

Wie kommt der Vizepräsident Mittelrhein dann zu seiner Aussage?

Pradt: Wüßte ich auch gern, vermutlich ist er ein sogenannter Gutmensch.

Das heißt?

Pradt: Na, ein Beschwichtiger. Die Erfahrung macht man immer wieder. Da wird abgewiegelt, da geht es um Ausländer, und das ist denen da oben zu heiß.

Inwiefern?

Pradt: Auch wenn es ungern gehört wird, muß ich sagen, Gewalt kommt überwiegend bei Partien mit ausländischstämmigen Mannschaften vor. Da kommt es bei einer roten Karte schnell mal zu Krawall und Rudelbildung.

Also, früher gab es weniger Probleme – aber auch da gab es ausländische Spieler!

Pradt: Sicher gab es die, aber nicht so viele. Die waren in der Minderheit und folglich haben die sich integriert. Ich hatte als Jugendtrainer etliche Ausländer – aber die haben gespurt! Aus so manchem Ausländer, den ich ausgebildet habe, wurde später ein guter Fußballer, der dann auch höherklassig gespielt hat.

Laut Studie gehen tatsächlich zwei Drittel der Spielabbrüche auf ausländischstämmige Spieler zurück (siehe Seite 7). Andererseits sind also nicht nur Einwanderer für die Probleme verantwortlich.

Pradt: Natürlich nicht, aber wenn, wie wir das schon hier in Wiesbaden hatten, in der Bezirksliga die zwei türkischen Mannschaften mehr rote Karten in einer Saison hatten als die ganze restliche Liga zusammen, dann kann das kein Zufall sein. Sicher gibt es auch deutsche Quertreiber. Aber ich weiß, daß Spielabbrüche mit deutschen Mannschaften – wobei mir zum Beispiel bei uns im Raum Wiesbaden kein einziger Fall bekannt wäre – meist eher andere Gründe haben, etwa daß der Trainer sich ungerecht behandelt fühlt und mit seinen Leuten vom Platz geht. Eher selten hat es da, wie bei ausländischen Spielern, mit Gewalt zu tun.

Was erregt ausländische Mannschaften so?

Pradt: Besonders gern unterstellen sie, man habe nur deshalb gepfiffen, weil sie Ausländer seien. Ich rede dabei keineswegs nur von kniffligen Ermessensentscheidungen – diese Leute akzeptieren nicht, daß ein Schiedsrichter eine Entscheidung gegen sie ganz klar gemäß der Regeln trifft.

Warum nicht?

Pradt: Zum einen reagieren sie extrem emotional: Da regt man sich sofort lautstark auf, wenn gepfiffen wird – und dann stellen sie mitunter erstaunt fest: „Der Freistoß ist ja für uns!“ Zum anderen haben die Spieler kaum Regelkenntnis, werten aber quasi jeden Pfiff von vornherein als ausländerfeindlich. Sie unterstellen eigentlich prinzipiell Ausländerfeindlichkeit. Was aber einfach nicht stimmt und was ich nicht auf mir sitzen lasse: Wenn ich pfeife, dann gibt es keine Ausländer, sondern nur gute und schlechte, faire und unfaire Spieler.

Warum dann diese Unterstellung?

Pradt: Das ist ein Totschlagargument, um für sich Vorteile herauszuschlagen.

Es gibt also ein umgekehrtes „Rassismus“-Problem?

Pradt: Natürlich, als Deutscher sind Sie auf dem Platz doch von vornherein im Verdacht. Und stellen Sie sich einmal vor, wenn – ich erinnere an die von mir eingangs genannten Fälle – statt dessen zwei türkische Schiedsrichter von deutschen Spielern ins Krankenhaus geprügelt worden wären. Was meinen Sie, was da los wäre und wie schnell gewisse Kreise auf den Zug aufspringen würden.

Was meinen Sie?

Pradt: Na ja, die üblichen Verdächtigen eben: Frau Roth von den Grünen, die würde sofort ihre tiefe Betroffenheit erklären. Aber wenn Deutsche betroffen sind, dann ist es ja nicht so schlimm.

Der Sportwissenschaftler Gunter Pilz diagnostiziert, ausländischstämmige Jugendliche würden wegen der allgemeinen Diskriminierungserfahrung gewalttätig.

Pradt: Ach, ich bitte Sie ... Wahrscheinlich hatten die beiden Schiedsrichter hier, die im Krankenhaus landeten, die Spieler während der Partie provokant angeguckt. Für mich redet dieser Mann Unsinn – noch so ein Beschwichtiger. Der soll doch mal ein Problemspiel pfeifen, da würde er die Realität ganz schnell kennenlernen.

Was sind denn aus Ihrer Sicht die Gründe?

Pradt: Es liegt häufig an der mangelnden Bereitschaft, sich in die Gemeinschaft einzubringen. Ausländische Mannschaften schotten sich ab, bleiben unter sich und werden nur aktiv, wenn sie etwas wollen. Zum Beispiel unterhalten von zwölf ausländischen Vereinen bei uns in Wiesbaden elf keine Jugend-abteilung! Sie fordern dann aber die von deutschen Vereinen ausgebildeten volljährigen ausländischen Spieler wie selbstverständlich auf, zu ihnen zu wechseln. Motto: „Du bist Türke, du spielst bei uns!“ Sie profitieren also von der Jugendarbeit der anderen, die Mühe macht und Geld kostet. Gemäß dem biblischen Spruch: „Sie säen nicht, sie ernten nicht, aber der himmlische Vater ernährt sie doch.“ Und obendrein unterlaufen sie so jede Integration. Meistens kommen Problem-Mannschaften eben aus einem muslimischen Kulturkreis mit anderen Wertvorstellungen. Sie lehnen innerlich unsere Mehrheitsgesellschaft ab und reagieren aggressiv, wenn die Einhaltung unserer Gesetze und Regeln gefordert wird. Hier hilft nach meiner Ansicht nur klare Kante: Wer die Regeln mißachtet muß Konsequenzen spüren!

Es gibt in Ihrer Schiedsrichtervereinigung inzwischen etwa vierzig Prozent Schiedsrichter mit Migrationshintergrund. Welche Erfahrungen machen die?

Pradt: Auch die werden massiv angegangen. Ihnen wird vielleicht keine Ausländerfeindlichkeit unterstellt, aber die Respektlosigkeit ist die gleiche. Interessant ist aber, daß diese Kollegen meist viel drastischer „durchziehen“: Türkische Schiedsrichter etwa haben den Vorteil, daß sie auch die türkischen Schimpfwörter verstehen: Da gibt’s dann ganz schnell eine rote Karte. In Wiesbaden hat eine türkische Mannschaft einmal ziemlich blöd aus der Wäsche geschaut, weil sie an einen türkischen Schiedsrichter geraten war, ohne es zunächst zu wissen. Der hat aber alles verstanden, und ganz fix waren drei Mann vom Platz gestellt.

Am Freitag beginnt die Europameisterschaft. Dann werden die Mannschaften im Rahmen des „Respect Diversity“-Programms der Uefa beim Einzug in die Stadien wieder „gegen Rassismus und Intoleranz“ im Fußball demonstrieren.

Pradt: Da kann ich nur lachen, das sind reine Show-Veranstaltungen! Mit der Realität auf deutschen Sportplätzen hat das nichts zu tun.

Sie meinen, es gibt kein Ausländer-Diskriminierungsproblem im Breitenfußball?

Pradt: Im Raum Wiesbaden/Frankfurt jedenfalls nicht. Sicher ruft auch mal ein Rentner vom Spielfeldrand „Du Kanake!“ oder ähnliches dummes Zeug, aber das ist gar nichts im Vergleich zu dem, was ausländische Zuschauer immer wieder bieten. Und ganz ehrlich, viele ausländische Spieler warten nur darauf, einen dummen Spruch vom Spielfeldrand zu hören, um behaupten zu können, alle, inklusive des Schiedrichters, seien Ausländerfeinde und gegen sie.

Vor allem gegen eine Unterwanderung durch „Rechtsextreme“ müsse sich der Fußball schützen, so der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger.

Pradt: Das ist der pure Blödsinn. Herr Zwanziger soll doch mal in einer Saison alle Spiele hier im Raum Wiesbaden/Frankfurt/Darmstadt besuchen. Er wird da keinen einzigen rechtsradikalen Unterwanderer finden, keinen einzigen! Es gibt bei uns keinen Radikalismus deutscher Prägung. Ich habe in 26 Jahren immerhin etwa achthundert Spiele gepfiffen und habe so was nicht einmal erlebt. Der DFB kümmert sich um Probleme, die keine sind und schweigt da, wo wirklich der Schuh drückt.

Die „Toleranz“- und „Anti-Rassismus“-Programme seien wichtig zur Erfüllung seines gesellschaftlichen Hauptziels, so der DFB, der Integration.

Pradt: Auch da kann ich nur lachen. Denn die Integration ist gescheitert. Das liegt aber nicht am „Rassismus“ der Deutschen. Man hätte von Anfang an sagen sollen: Kommt in die deutschen Vereine, spielt mit, integriert euch! Doch der DFB hat diesen Blödsinn zugelassen, daß Ausländer sich in eigenen Vereinen organisieren und somit eine sportliche Parallelgesellschaft mit allen negativen Folgen geschaffen. Wären die ausländischen Spieler auf die deutschen Mannschaften verteilt, würden sie automatisch integriert – und wir hätten bei weitem nicht die Probleme auf unseren Sportplätzen, wie wir sie heute haben.

 

Manfred Pradt, der ehemalige Jugendtrainer, heutige Schiedsrichter und Torwarttrainer ist Mitglied der Schiedsrichtervereinigung Wiesbaden, aus deren Reihen auch der Bundesliga-Schiedsrichter Tobias Welz kommt. Seit 26 Jahren pfeift Pradt in der Kreisliga. Von 1979 bis 1996 trainierte er Jugendspieler aller Altersklassen, von Kreisliga bis Oberliga. 1990 gründete er die „Torwartschule Wiesbaden“, wo er seitdem 56 Torhüter ausgebildet hat, von denen einige später in höhere Ligen aufstiegen. Der Prominenteste ist Julien Jourdan, mit neunzehn Profi-Torwart beim SV Waldhof Mannheim. Manfred Pradt ist der Bruder des ehemaligen Bundesliga-Torwarts Walter Pradt (1. FC Nürnberg), der später Silke Rottenberg trainierte, 1998 „Fußballerin des Jahres“ und Torhüterin der deutschen Frauen-Nationalmannschaft beim Weltmeisterschaftssieg 2003 in den USA. Manfred Pradt, geboren 1942 in Wiesbaden, war im öffentlichen Dienst tätig. Heute widmet er sich ganz dem Schiedsrichterwesen und dem Torwarttraining.

www.wiesbadener-torwartschule.de

Foto: Beschimpfungen, Drohungen, Gewalt: „Es wird ungern gehört, aber Gewalt kommt überwiegend bei Spielen mit ausländischstämmigen Mannschaften vor ... Ich verstehe, daß es Kollegen gibt, die Angst haben.“

 

weitere Interview-Partner der JF

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen