© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/12 08. Juni 2012

Anti-ESM-Protest / Krawalle in Hamburg
Demokratie als Ernstfall
Dieter Stein

Warum gehen die Deutschen nicht gegen die Euro-Rettung auf die Straße? Mit dem Rettungsschirm ESM soll eine Art Notstandsregime über die Euro-Zone verhängt werden, bei der die Nationalstaaten entmachtet und finanzielle Risiken in unkontrollierbarer Größe an eine intransparente EU-Behörde abgetreten werden sollen.

Am vergangenen Samstag schaffte es trotzdem ein Bündnis von Initiativen unter Führung der Freien Wähler in der bayerischen Landeshauptstadt, fast eintausend Bürger gegen die Vergemeinschaftung von Schulden und die Transferunion auf die Straße zu bringen. An diesem Freitag soll eine Demonstration in Berlin den Protest noch einmal verstärken.

Überregional berichtet wurde über die Münchner Demonstration in öffentlich-rechtlichen Medien jedoch nicht. Eine legitime Entscheidung angesichts der Vielzahl kleinerer Demonstrationen? Ich meine, daß solcher unliebsamer Protest bewußt totgeschwiegen wird, um eine Schweigespirale zu verstärken, die Bürger zögern läßt, auf die Straße zu gehen.

In großer Breite berichtet wurde in Fernsehnachrichten und überregionalen Medien jedoch über bürgerkriegsartige Krawalle im Umfeld von Demonstrationen in Hamburg, die ebenfalls am vergangenen Samstag stattfanden, wobei die Täter bewußt vertauscht wurden. Die Bild am Sonntag titelte: „Neonazis verdunkeln Hamburg“, und Agenturmeldungen erweckten den Eindruck, Neonazis hätten den Hamburger Vorort verwüstet. Das Gegenteil war jedoch der Fall.

Wenn 700 gewaltlos demonstrierende Rechtsextremisten von 4.000 Polizisten gegen 3.500 gewalttätige Linksextremisten geschützt werden mußten, wäre dies eigentlich Anlaß genug, das Gefahrenpotential für Rechtsstaat und Demokratie zu thematisieren, das von gewaltbereiten Linksextremisten ausgeht. Wurden diese Woche neue Programme gegen Linksextremismus aufgelegt, haben Kirchen, Gewerkschaften und Parteien ein zivilgesellschaftliches Bündnis gegen Linksextremisten geschlossen? Nichts von alledem.

Demokratie bedeutet, daß sich auch Radikale oder Extremisten auf Demonstrationen öffentlich artikulieren dürfen, seien es Kommunisten, Salafisten oder rechtsextreme Kameradschaften. Entscheidend ist, daß sie dies im Rahmen der Gesetze tun und nicht zu Straftaten aufrufen. Nichts anderes haben Gerichte und Polizei in Hamburg durchzusetzen versucht – und sind auf die verbrecherische Gegenwehr linksextremer Chaoten gestoßen. Diese können sich dabei – im Gegensatz zu 38 verletzten Polizisten – der klammheimlichen Sympathie von Teilen der Politik und der Medien erfreuen. Schüchtert diese öffentlich geduldete linksfaschistische SA doch auch den braven Bürger ein, seine Demonstrationsfreiheit für nichtlinke Ziele ernsthaft in Anspruch zu nehmen.

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