© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/12 01. Juni 2012

Roosevelt wollte von Anfang an den Krieg
Die erst jetzt edierten Erinnerungen des früheren US-Präsidenten Herbert Hoover enthüllen interessante Details über die USA und den Zweiten Weltkrieg
Gerd Schultze-Rhonhof

Unter dem Titel „Freedom Betrayed“ (Verratene Freiheit) sind im November 2011 in den USA die Erinnerungen des früheren US-Präsidenten Herbert Hoover, 48 Jahre nachdem er sie geschrieben hat, als Buch erschienen. Zum einen deckt Hoover schonungslos die schon frühe Kriegstreiberei seines Amtsnachfolgers, des Präsidenten Roosevelt, gegen Deutschland auf, zum anderen zeigt sich, daß Hoover in erschreckendem Maße schlecht über die europäischen Verhältnisse informiert gewesen ist.

Die vorliegenden Memoiren – fast eine Kriegsgeschichte – beginnen mit einer Rundreise durch Europa vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Ex-Präsident (1929–1933) fordert Unparteilichkeit bei der Beurteilung der bereisten Länder, die er dann sofort selbst vermissen läßt. Er schildert seinen Tschechoslowakei-Besuch so, als habe er dort keine Gesprächskontakte mit den im Staate nicht gleichberechtigten Slowaken, Ungarn, Ruthenen und Sudetendeutschen gehabt, und als habe er nicht wahrgenommen, daß die Demokratie von Prag nur in der Verfassung, nicht aber in der Politik bestanden hat. Nach seiner Weiterreise von Deutschland nach Polen vermerkt Hoover, daß die Polen mehr Freiheit als die Deutschen genössen. Auch hier werden die elf Millionen verfolgten Weißrussen, Ukrainer, Juden und Volksdeutschen im Lande mit keinem Wort erwähnt, weder die weit über 500.000 Juden, die Polen bis dahin schon durch Emigration oder Zwangsausbürgerung entkommen waren, noch die Glaubensverfolgung und Unterdrückung der Ukrainer und Weißrussen. Schon hier zeichnet sich ab, daß Hoover die Tschechen und die Polen jener Zeit alleine als Opfer ihrer großen Nachbarstaaten wahrnimmt, nicht aber auch als Täter.

Hoover stellt die Frage, ob Roosevelt und Daladier mit ihren Aufforderungen an Polen vom Januar 1939, nicht auf die deutschen Wünsche in bezug auf Danzig einzugehen, die Blockadehaltung Warschaus in der Danzigfrage ausgelöst haben und ob sie auf diese Weise mitverschuldet haben, daß es nicht früh genug zu einer deutsch-polnischen Übereinkunft zur Danzig- und zur Korridorfrage gekommen ist. Im August 1939 stellt sich erneut dieselbe Frage. Noch in der Nacht, als der Hitler-Stalin-Pakt unterzeichnet wurde, hatte Roosevelt durch Verrat erfahren, daß Ostpolen der Sowjetunion angegliedert werden sollte. Hat Roosevelt, als er den deutsch-sowjetischen Teilungsplan für Polen vor der Warschauer Regierung verschwieg, mitverursacht, daß es zu keiner deutsch-polnischen Verhandlungslösung kam?

Gehirnwäsche-Propaganda vor dem US-Kriegseintritt

Einige polnische Historiker behaupten heute, daß Polen 1939 mit hoher Wahrscheinlichkeit eher auf seine ohnehin begrenzten Rechte im Freistaat Danzig verzichtet hätte, als dafür ganz Ostpolen an die Sowjetunion zu verlieren, wenn die Warschauer Regierung damals vor dieser Wahl gestanden hätte. Hoovers Kritik am Kriegseintritt der USA beginnt mit einem Rückblick auf die „Gehirnwäsche“ („brainwash“), der die US-Amerikaner vor dem Zweiten Weltkrieg – wie schon vor dem Ersten Weltkrieg – unterzogen worden sind. Er schreibt: „Von Ausbruch des Zweiten Weltkriegs an war das amerikanische Volk durch eine Sintflut von Propaganda einer erneuten Gehirnwäsche ausgesetzt.“ 1939, als der Krieg in Europa anfing, hatten sich bei Befragungen nur sechs Prozent der US-Bürger für eine Kriegsteilnahme ausgesprochen.

Von Mai bis November 1940 – so schildert Hoover – lief ein erneuter Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Roosevelt betrieb seinen Wahlkampf und den Kriegseintritt zur gleichen Zeit auf zwei parallelen Gleisen. Er versicherte den Wählern 19mal in Wahlkampfreden, er werde Amerika aus dem Krieg heraushalten; so am 30. Oktober 1940: „Ich gebe Ihnen, den Müttern und Vätern erneut die Zusicherung. Ich habe es schon zuvor gesagt, und ich werde es wieder und wieder und wieder sagen: Ihre Söhne werden nicht in irgendwelche fremden Kriege geschickt!“

Auf dem anderen Gleise bereitete er seine Landsleute auf ihre nächste Kriegsteilnahme vor und schürte ihre Angst; sein Slogan dazu: „Hitler kommt!“ Roosevelt hielt Rundfunkreden über den bevorstehenden deutschen Angriff auf die USA und über das, was die Amerikaner dann von den deutschen Besatzungstruppen zu erwarten hätten. Ab 1941 begann Roosevelt, einen „Drang Deutschlands zur Eroberung aller fünf Kontinente“ auszumalen, den nur die Amerikaner würden stoppen können. Ihre Spitze erreichte diese Angstkampagne, als Roosevelt den Amerikanern am 27. Mai 1941 „eröffnete“, daß die Deutschen planten, die USA über Spanien, Nord- und Westafrika, den Südatlantik, Brasilien und Panama von Süden her anzugreifen. Hoover vermerkt dazu sarkastisch, daß es die deutsche Wehrmacht acht Monate zuvor nicht einmal geschafft hat, die dreißig Kilometer des Ärmelkanals zu überwinden, um England anzugreifen.

Am 9. Juli 1941 gab US-Marineminister Frank Knox erstmals zu verstehen, daß es Befehle zum Angriff auf deutsche U-Boote gäbe. Zwei Tage später gab Knox vor einem Senatsausschuß auch zu, daß ein US-Zerstörer im Atlantik ein deutsches U-Boot mit Wasserbomben angegriffen hätte. Am 11. September 1941 hielt Roosevelt hierzu eine Rede. Er suggerierte den Amerikanern, daß die Weite des Atlantiks keinen Schutz vor Deutschland böte, und daß er der US-Navy befohlen habe, zum Schutz der USA das Feuer auf deutsche Schiffe zu eröffnen, wenn die sich in die für Amerika verteidigungswichtigen Gewässer bewegten. Schon fünf Tage später übernahm die US-Navy den Konvoi-Schutz für englische Schiffe zwischen Amerika und Island.

Damit waren die USA der formalen Kriegserklärung Hitlers vom 11. Dezember mit ihrer realen Kriegseröffnung um genau fünf Monate zuvorgekommen. So stimmte Roosevelt sein noch kriegsunwilliges Volk auf die „Verteidigung“ Amerikas gegen Deutschland ein.

Einen Monat später schippte Roosevelt die nächste Schaufel Kohlen in das Feuer. Am 27. Oktober versicherte er den Amerikanern, daß er zwei deutsche Dokumente in den Händen hätte. Das wäre zum ersten eine geheime Karte mit den Einzeichnungen des deutschen Angriffsplanes gegen Süd- und Mittel-amerika, aus der hervorginge, daß Hitler Südamerika in fünf Vasallenstaaten aufzuteilen plane. Das zweite Dokument wäre ein detailliertes Konzept zur Abschaffung aller Weltreligionen und ihr Ersatz durch eine „Nazi-Religion“. Die Bibel sollte dabei durch Hitlers „Mein Kampf“ ersetzt werden. Eine Reihe amerikanischer Spitzengenerale und Admirale sowie Historiker erklärten Roosevelts mysteriöse Dokumente damals und auch nach dem Kriege Hoover gegenüber für „absoluten Unsinn“. Hoovers Kommentar dazu: „Woher Roosevelt diese Eingebungen hatte, konnte nicht geklärt werden.“

Pikant ist Hoovers Eingeständnis, daß die Washingtoner Regierung die Kriegsabneigung der Amerikaner und des Kongresses durch einen kriegerischen Akt der Japaner oder Deutschen kippen wollte. Am 2. Juni 1941 unterzeichnete Kriegsminister Henry Stimson einen „Allgemeinen Kriegsplan zur Besiegung der Achsenmächte“. Der darüber informierte Admiral Kelly Turner wird dazu von Hoover so zitiert: „Für den Fall, daß es zu einem Krieg mit Japan ohne die Beteiligung Deutschlands kommen sollte, wurde entschieden, daß sich die USA bemühen würden, Deutschland möglichst in den Krieg gegen uns hineinzuziehen.“

Hoover beginnt das Deutschland-Kapitel mit der Niederlage von 1945 und gibt ihm die Überschrift „Die Rache kommt nach Deutschland“. Hoover gibt seinen amerikanischen Lesern keinen Einblick, warum es zu Hitler und dem Zweiten Weltkrieg hatte kommen können oder müssen. Er verschweigt die frühen Kriegsvorbereitungen der Russen, Briten und Franzosen gegen Deutschland vor dem Ersten Weltkrieg. Er schreibt nichts zu den gebrochenen Vereinbarungen der 14 Wilson-Punkte, nichts zu den Abtrennungen von Weißrussen, Ukrainern, Ungarn und Deutschen aus ihren Heimatstaaten zwischen 1918 und 1922, auch nichts über die zahlreichen Vertragsbrüche am Versailler Vertrag durch Briten, Franzosen, Polen, Litauer und Tschechen und nichts zu den unbezahlbaren Reparationen, die Österreich und Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg zahlen sollten. Statt dessen gibt Hoover Deutschland am Anfang des Kapitels kurz, bündig und pauschal die Schuld am Ersten Weltkrieg und geht dann sofort zu Hitlers Sünden über.

Sieger dürsteten 1945 nach Rache und Bestrafung

Hoover setzt sich dennoch kritisch mit der Rolle der Siegermächte auseinander. Er schreibt, daß alle Siegervölker 1945 nach Rache, Bestrafung und Zerteilung Deutschlands dürsteten, und daß es kein Politiker hätte wagen können, diesen Gefühlen nicht gerecht zu werden. Er beklagt, daß anfangs keine Wirtschaftsfachleute in den Entscheidungsgremien geduldet wurden, die darauf hätten hinweisen können, daß Deutschland so eng im Wirtschaftsraum Europa verflochten war – selbst mit den USA –, daß alle Nachbarvölker auf den Wiederaufbau der deutschen Produktionsstätten angewiesen waren; auch Ingenieure nicht, die erklärten, daß man die deutschen Industrieanlagen nicht demontieren und deportieren könnte, ohne sie als funktionsfähige Systeme zu zerstören.

Hoover schließt das Buch mit einer Mischung von eigenen Urteilen und ihn bestätigenden Zitaten. Den Anfang der Gedankenkette bilden die massiven Anschuldigungen des US-Botschafters in London von 1938 bis 1940, Joseph Kennedy, der wiederholt bestätigt hat, daß Roosevelt die englische und die französische Regierung schon im Januar 1939 bedrängt hat, den Danzig-Wünschen der Reichsregierung entgegenzutreten und den Polen eine Garantie zu geben. Zu dieser Zeit hatte Hitler die Tschechei noch nicht besetzen lassen und damit noch keinen Grund geliefert, eine Danzig-Regelung zu torpedieren. Ohne Roosevelt – so behauptet Kennedy – hätte Großbritannien diesen „gigantischsten Fehler seiner Geschichte“ nicht begangen. Während der ersten deutschen Sondierungen zu Danzig hatte Roosevelt außerdem die polnische Regierung aufgefordert, die deutschen Wünsche abzuweisen. Damit hatte der amerikanische Präsident den Kriegsausbruch heraufbeschworen. Der Garantie Englands folgte später notwendigerweise die Kriegserklärung der Briten und Franzosen, die aus dem deutsch-polnisch-russischen Vier-Wochen-Krieg einen Weltkrieg von sechs Jahren werden ließ.

Hoovers Anschlußthese ist, daß Englands Existenz seit Beginn des deutschen Rußlandfeldzugs im Juni 1941 nicht mehr bedroht gewesen sei. Die amerikanische Hemisphäre sei ohnehin – im Gegensatz zu Roosevelts erfundenen Legenden – nie gefährdet gewesen. Hoover vertritt die Ansicht, daß es seit Juni 1941 für die USA geboten gewesen sei, sich die zwei Diktaturen gegenseitig aufreiben zu lassen, statt einer von beiden den Fortbestand zu sichern. Die Unterstützung der Sowjetunion durch die Vereinigten Staaten habe, so Hoover, den Kommunismus und die Diktatur in Mittel- und in Osteuropa nicht nur überleben lassen, sondern zu einer Vormacht bis zur Elbe werden lassen.

In einem kleinen Absatz mit dem Titel „Warum wollte Roosevelt den Krieg?“ zitiert Hoover „viele verantwortliche, unparteiische Zeitungen“. Sie meinen, „daß Roosevelt das Versagen des New-Deal-Programms und seines sechsjährigen Bemühens, Arbeitsplätze für zehn Millionen Arbeitslose zu schaffen, verdecken wollte. Daß er sich dazu in die Machtpolitik der Welt gestürzt habe, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit umzulenken.“ Der amerikanische Bibliothekar und Historiker Paul Boytinck schreibt in der Einleitung seiner Rezension zu diesem Hoover-Buch: „Es ist ein Aufruf, die triumphierende, naive und oft ausgesprochen dumme Lesart der Geschichte des 20. Jahrhunderts zu revidieren.“

 

Gerd Schultze-Rhonhof ist Generalmajor a.D. und Autor des Sachbuch-Bestsellers  „1939 – Der Krieg, der viele Väter hatte“.

Herbert Hoover: Freedom Betrayed. Herbert Hoover´s Secret History of Second World War and its Aftermath. Hoover Institution Press, Stanford 2011, gebunden, 1077 Seiten, ca. 28 US-Dollar

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