© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/12 01. Juni 2012

Zwangsstörung Schuldwahn
Theater: „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“
Petra Knoll

Eine ebenso böse wie scharfsinnige Komödie über Spendengeschäfte hierzulande präsentiert derzeit das Markgrafentheater in Erlangen. Schon der Titel macht neugierig: „Benefiz – Jeder rettet einen Afrikaner“.

Angesagt ist eine Spendenaktion für eine Schule in Guinea, irgendwo in Westafrika, oder Ostafrika? Keiner weiß es so genau, Papiere werden gewälzt, es wird gestottert und spekuliert. Fünf dynamische Zeitgenossen proben eine Spendengala. Alle reden sich Mut zu, stehen zusammen wie beim Fußball und machen „bbrrrrr“. Oder Schüttelübungen, wenn sie sich wieder mal in Wortgefechten verkrampfen. Kritisch wird es gleich zu Beginn, als die Afro-Dings mitmachen soll, „die Afri-Berlinerin Valeria“. Darf man Afrikaner vorführen? Und statt dessen ausgrenzen? Das ganze Alphabet der politischen Folklore aktiviert die Truppe: Rassismus, der in jedem Halbsatz lauert; Pauschalisierungen gegen Schwarze und Dicke usw.

Eine weitgeschwungene Treppe zum Flanieren rollt auf die Bühne, die Stufen erleuchten in Grün, Lila und Türkis. Doch auch auf der Treppe bleibt unklar, wie viele Menschen denn verhungern. Achtzig Millionen oder nur acht Millionen? Einmal Deutschland hin und weg, zappelt der Redner. Eine Chorprobe folgt, alle fünf Hand in Hand, Eva und Christine, Rainer, Leo und Eckhard. Ein schauriger Gesang auf ein verstorbenes Mädchen aus Guinea.

Schließlich eine Dia-Schau mit dem immergleichen Bild. Nichts sichtbar, nur fahle Umrisse, und dramatische Erläuterungen. Irgendwann verspürt man das Gefühl, daß das Programmheft interessanter ist als die Inszenierung. Dort steht unter der Überschrift „Schuldwahn“: „Von jetzt ab ist alles Schlimme, das in der Welt vor sich geht, Ihr Fehler. Schuldwahn gehört zu den am schwersten zu behandelnden Zwangsstörungen. Da die Betroffenen von ihrer vermeintlichen Schuld aufgefressen werden, halten sie häufig am Wahn fest. Eine kognitive Verhaltenstherapie kann Wunder wirken.“

Derweilen tönt ein Spendenaufruf von der Bühne. Die Ruferin geht in die Knie: zehn Euro für ein Leben oder ein Cocktail. Alle Menschen sind doch gleich, haben das gleiche Recht auf Leben. Wirklich? fragt Rainer, sind alle Menschen wirklich gleich, ein Kinderschänder genausoviel wert wie der Erfinder von Aspirin? Dann schimpft er: „Ich will nicht die Welt retten, ich bin kein Bibel-Fuzzi. Ich mach’ das hier, weil es mir Spaß macht. Ich will keine Gutmenschenbetroffenheitsveranstaltung.“

Zum Schluß folgt tatsächlich ein Spendenaufruf. Sie sind doch zu 100 Prozent davon überzeugt, oder? Zumindest zu 80 Prozent? Ach, es langen auch 51 Prozent.

Weitere Vorstellungen im Theater Erlangen, Theaterstraße 1, finden statt am 14., 16. und 22. Juni sowie am 8. und 9. Juli. Telefon: 0 91 31 / 86 25 11

 www.theater-erlangen.de

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