© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/12 01. Juni 2012

Posaune für Zeitungsphrasen
Wer sich grün anmalt, den fressen die Ziegen: Günter Grass hat schon wieder ein Gedicht veröffentlicht
Andreas Wild

Der Dichter Günter Grass hat erneut zugeschlagen. Nach seinem Gedicht gegen die israelische Atompolitik hat er nun (wieder in der Süddeutschen Zeitung) ein Gedicht gegen Griechenland und die Euro-Staaten plaziert. Das Echo in den übrigen Medien ist diesmal freilich durchweg ironisch, ja höhnisch. Der Literaturnobelpreisträger Grass wird hierzulande nicht mehr ernst genommen, am wenigsten von ehemaligen engen Kumpanen.

Man könnte es sich leichtmachen und sagen: Geschieht ihm recht, wer sich grün anmalt, den fressen die Ziegen. Grass war nie ein großer Lyriker, es sei denn, man geht ganz weit in seiner Vita zurück, bis in die Zeit, als er „Die Vorzüge der Windhühner“ schrieb. Später, in seiner „politischen Phase“, sank er schnell auf Georg-Herwegh- beziehungsweise Erich-Fried-Niveau herab, das heißt, er dichtete nur noch „auf den Zinnen der Partei“ (Herwegh), wurde zur Posaune für Zeitungsphrasen.

Auch die beiden Gedichte in der Süddeutschen sind von diesem (Un-)Karat. Sie taugen lyrisch nichts, ihre Form blamiert von vornherein den Inhalt. Aber es gibt da ein Andererseits. Man bedenke doch den ungeheuren Widerhall, den zumindest das erste dieser Gedichte gefunden hat! Daß jemand mit ein paar Versen ein solches weltweites Aufsehen erregt, kitzelt die Sehnsucht sämtlicher Lyriker und Verseschmiede und hat sie immer schon gekitzelt. Es weckt gewissermaßen Erinnerungen an homerische Zeiten. So und nicht anders stellt man sich einen echten Rhapsoden vor.

Es mag ja sein, daß Grass (84) ganz egoistisch und eigennützig kalkuliert hat. Er wollte noch einmal ganz groß herauskommen – und das ist ihm zweifellos gelungen. Wer fragt schon nach dem Urteil der Zeitgenossen, wenn es um die Erinnerung der Nachwelt geht? Sein erstes SZ-Gedicht war zweifellos ein Donnerschlag, der lange nachhallen wird. Schon das zweite erzeugt allerdings nur noch mattes Grollen. Wenn er so weitermacht, wird bald niemand mehr etwas hören, heute nicht und morgen schon gar nicht.

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