© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Bauer mit Leib und Seele
Vor hundert Jahren wurde der Öko-Aktivist und Grünen-Mitgründer Baldur Springmann geboren
Volker Kempf

Grünen-Chef Cem Özdemir tritt gern in edlem Zwirn vor die Kameras und ist als „Realo“ Mitglied der Atlantik-Brücke. Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin stieß vom Kommunistischen Bund zur Partei und zählte voriges Jahr zu den Propagandisten eines deutschen Militäreinsatzes im libyschen Bürgerkrieg. Als sich 1979 die „Sonstige Politische Vereinigung – Die Grünen“ formierte, hatte diese noch passendere Gesichter, etwa das von Baldur Springmann. Die Fernsehkameras liebten diesen Öko-Bauern mit Kosakenhemd. Er schien schon immer Alternativen zum gerade zweifelhaft gewordenen Fortschrittsoptimismus erprobt zu haben.

Geboren am 31. Mai 1912 als Sohn eines Industriellenerben, wuchs er im schmutzigen Industriegebiet von Hagen auf. Das erklärt, warum er schon mit 15 beschloß, einmal ein naturnahes Leben als Bauer führen zu wollen. Die nationale Hochstimmung in der Zwischenkriegszeit erfaßte auch ihn. Er verschlang die Literatur konservativer Revolutionäre. Springmann wurde Agrarstudent, konnte dem akademischen Leben aber nicht viel abgewinnen. Daher meldete er sich zur Schwarzen Reichswehr und machte eine Ausbildung zum Reserveoffizier. Mitte der dreißiger Jahre begann der Aufbau seines Hofes in Mecklenburg. In dieser Zeit kam Springmann zur Reiter-SS, weil der örtliche Reiterverein von ihr übernommen wurde. Er sei nicht gegen den Nationalsozialismus gewesen, trat der NSDAP aber erst 1939 bei. In seiner Autobiographie „Bauer mit Leib und Seele“ hat er dieses Kapitel mit „Abdrift“ überschrieben.

1942 eingezogen, wurden ihm die Luftangriffe auf Flüchtlinge in Swinemünde vom März 1945 zum eindringlichsten Kriegserlebnis. Als Batteriechef der Flugabwehr hatte er sich der Frauen- und Kinderleichen annehmen müssen. Daher bestand Springmann immer darauf , daß auch die Westalliierten viel Schuld auf sich geladen hatten.

Während Konrad Adenauer die Wiederbewaffnung einleitete, sympathisierte Springmann mit neutralistischen Positionen. Er schloß sich der Aktionsgemeinschaft Unabhängiger Deutscher (AUD) um August Haußleiter an, der 1979 erster Sprecher der Europawahl-Grünen wurde. Springmann selbst verzichtete auf einen Vorstandsposten, er war bereits Landeschef der Grünen Liste Schleswig-Holstein.

Nach dem 3,2-Prozent-Erfolg bei der Europawahl witterten die K-Gruppen Morgenluft. Eine junge Generation rückte vor, die den Vätern ihre Vergangenheit vorhielt, selbst aber im „roten Jahrzehnt“ (Gerd Koenen) ideologisch aufgeladen die Schwelle zur Gewalt abbaute, um nun eigene Karrieren aufzubauen. Springmann drängte auf die Gründung einer neuen Umweltpartei. 1982 war es soweit: Herbert Gruhl wurde Chef der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP), Springmann sein Stellvertreter. Anders als Gruhl neigte er zu religiös-esoterischen Sonderwegen. Er zog sich aus der Parteipolitik rasch zurück.

Später versuchte er mit Alfred Mechtersheimer Kräfte rechts der CDU bei den Unabhängigen Ökologen Deutschlands (UÖD) zu sammeln. 1998 wurde Springmann Gründungsmitglied des Bündnisses für Volksabstimmung (BfV). Er starb fünf Jahre später im Alter von 91 Jahren. Über sein Leben könnte ein Eintrag aus seiner Offiziers-Personalakte als Motto stehen: Er habe „zu Widerspruch und unaufgeforderten Äußerungen ungewöhnlicher Ansichten“ geneigt. Für die heutigen Grünen wäre Springmann kein Mitstreiter, sondern ein Feindbild.

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