© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Der Zeitplan gerät ins Rutschen
Weiter Streit um die geplante Verbindung zwischen der Insel Fehmarn und dem dänischen Lolland
Hans-Joachim von Leesen

Laut einer Infratest-Umfrage lehnen nur 13 Prozent der Dänen den Bau einer festen Querung des Fehmarnbelts ab. In Norddeutschland sind es hingegen 19 Prozent. Daher schien das zum vierten Mal tagende „Dialogforum“, das dem Bürgergespräch dienen soll, interessant zu werden. Doch es ließ viele Teilnehmer ratlos zurück.

Weil laut Prognosen der Verkehr von Westeuropa durch Deutschland nach Skandinavien zunehmen wird, dafür aber weder die Straßen- noch die Bahnkapazitäten ausreichen, wird eine feste Verbindung zwischen den Ostseeinseln Fehmarn und Lolland geplant (JF 7/11). Dänemark verspricht sich von dem „weltgrößten systemverändernden Megaprojekt“ viel und ist daher bereit, es zu finanzieren. Nach bisherigen Berechnungen soll ein fast 18 Kilometer langer Tunnel mit einer vierspurigen Autobahn und zwei Bahnlinien von Puttgarden nach Rødbyhavn etwa 5,5 Milliarden Euro kosten. Für die Kosten der Verkehrsanbindung auf deutschem Gebiet – das wäre der Ausbau von Bahnlinien sowie Straßen mitsamt der Umgebung Hamburgs – in Höhe von geschätzten 900 Millionen Euro käme Deutschland auf. Das Land Schleswig-Holstein will davon bislang immerhin 60 Millionen übernehmen.

Als sich das „Dialogforum“, in dem Vertreter von Bund, Land, Gemeinden, Umweltschutzverbänden und Wirtschaft sitzen, jetzt in Oldenburg/Holstein traf, prallten die Gegensätze aufeinander. Das „Aktionsbündnis gegen eine feste Fehmarnbelt-Querung“ bezweifelte, daß die vor vier Jahren geschätzten Kosten eingehalten werden können. Auch der Zeitplan gerät ins Rutschen; nachdem es bisher hieß, daß der Betrieb 2020 aufgenommen werden könne, heißt es jetzt, der Tunnel sei mitsamt den Straßen- und Bahnanschlüssen frühestens Ende 2021 fertig. Die Einwohner von Fehmarn und Ostholstein, deren Haupterwerbsquelle der Tourismus ist, fürchten, daß sowohl die lange Bauzeit als auch das gewaltige Verkehrsaufkommen nach Fertigstellung dem Fremdenverkehr schweren Schaden zufügen dürfte.

Für Verwirrung sorgten speziell die voneinander abweichenden Kosten-Nutzung-Rechnungen, je nachdem ob sie von Gutachtern der einen oder der anderen Seite vorgetragen wurden. Als auf die Frage, welche Zeitersparnisse der Bau des Tunnels mit sich bringe, geantwortet wurde, die Fahrt von Hamburg nach Kopenhagen würde sich nur um zehn Minuten, die von Rotterdam nach Kopenhagen aber um 56 Minuten verkürzen, erhob sich Hohngelächter: „Und dafür der ganze Aufwand!“

Wie sich die gelante schleswig-holsteinische Landesregierung aus SPD, Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) verhalten wird, ist noch unklar. Während die Grünen bisher gegen den Bau der Querung agitierten, war die SPD gespalten. Der SSW als Partei der dänischen Minderheit schwankt zwischen ihrer Loyalität zu Kopenhagen, wo man die Querung unbedingt will, und ihrer stets betonten umweltschützerischen Haltung. Der Bund geht davon aus, daß der deutsch-dänische Staatsvertrag über den Bau eingehalten wird, obgleich Möglichkeiten des Ausstiegs vorgesehen sind. Wie sich die Finanzkrise auf das Projekt auswirkt, steht in den Sternen.

Projektgesellschaft Femern Bælt A/S: www.femern.de

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