© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

„Ich bin vielleicht irre“
Der Fall Ken Jebsen: Früherer RBB-Moderator setzt linke Israel-Kritik im Internet fort
Lion Edler

Wenn Ken Jebsen für seine Radiosendung KenFM zum Gespräch bittet, sind kontroverse Thesen sicher. In der vergangenen Woche unterhielt sich der beim Rundfunk Berlin-Brandenburg (RBB) nach Antisemitismusvorwürfen entlassene Israelkritiker mit Jürgen Elsässer, dem Chefredakteur des ebenfalls dezidiert israelkritischen Magazins Compact.

In der Sendung ging es unter anderem um den iranischen Staatspräsidenten Mahmud Ahmadinedschad, den Elsässer kürzlich traf und über den er überwiegend Positives verlautbart. „In erster Linie“ sei Ahmadinedschad ein „sehr bescheidener und frommer Mensch“, der im Wahlkampf „bis ins letzte Dorf“ gefahren sei und dort „auf staubigen Dorfplätzen gesprochen“ habe. Die Drohung des Präsidenten, Israel von der Landkarte zu tilgen? Für Elsässer eine „bewußte Falschübersetzung“ westlicher Medien. Der Iran sei zwar indessen eine „gelenkte Demokratie“, was man allerdings auch über die USA sagen könne. Auch Jebsens Dauerbrenner Israel kommt zur Sprache. Elsässer schimpft über „radikale Zionisten“, die selbst gegen den vergleichsweise gemäßigten Mossad Politik betreiben würden. Jebsen darauf: „Kann man das, in Israel gegen den Mossad Politik machen?“ Der Moderator ist wütend auf Israel, wirft dem Land vor, systematisch die Palästinenser auszurotten, um „Platz für das auserwählte Volk zu schaffen“.

Bis 2011 war Jebsen beim RBB, aber seinen Vorgesetzten ist eines Tages wegen seiner politischen Provokationen der Kragen geplatzt. Angefangen hatte alles mit einer E-Mail. Mangelnde Aufmerksamkeit war bei dieser Überschrift nicht zu befürchten: „Ich weiß, wer den Holocaust als PR erfunden hat“, so zitierte Henryk M. Broder den skandalträchtigen Moderator des Radiosenders Fritz, Ken Jebsen, im Internet-Blog achgut.de („Achse des Guten“). Das sei aus dem Zusammenhang gerissen, sagt Jebsen. Doch nur wenige Wochen später trennte sich der RBB von dem Moderator.

Die E-Mail stammte aus einem privaten Chat zwischen Jebsen und einem Historiker, in dem es um Israel, die USA und den Holocaust ging. Der Historiker sah in Jebsens Äußerungen Antisemitismus und wollte diese zunächst an die Zeit und dann an die Süddeutsche Zeitung verkaufen, doch winkten beide laut Jebsen ab.

Erst Broder habe sich für die Sammlung von orthographisch und grammatikalisch wirren Sätzen und Satzfetzen mit steilen Thesen interessiert und sie in seinem Blog publiziert. Dort zitiert er Jebsen etwa mit der Aussage: „es geht um die grosse sache derer die ganz oben uns alle wie marionetten tanzen lassen.“

Doch besonders ein Zitat wurde Jebsen zum Verhängnis: „sie brauchen mir keine holocaus informatinen zukommen lassen. ich weis wer den holocaust als PR erfunden hat. der neffe freuds. bernays. in seinem buch propaganda schrieb er wie man solche kampagnen durchführt. goebbels hat das gelesen und umgesetzt.“

Mit der Veröffentlichung dieser Zeilen geriet eine Lawine ins Rollen. Hörer von Radio Fritz und die vom Zentralrat der Juden herausgegebene Jüdische Allgemeine witterten Holocaustleugnung. Jebsen verteidigte sich gegen die Vorwürfe, er habe den Holocaust in seiner Sendung KenFM auf Fritz mehrmals verurteilt.

„Ich bin vielleicht irre, aber kein Antisemit“, so äußerte sich der Moderator in einer Stellungnahme. Kritiker Broder ist für Jebsen ohnehin ein Sadist, der „im Dritten Reich einen hervorragenden Lagerkommandanten abgegeben“ und „in jedem israelischen Folterknast seinen Spaß haben“ würde. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT bezeichnete Jebsen den Publizisten zudem als „rassistischen Zionisten“, der gezielt auf seine Entlassung hingewirkt habe, was Broder bestreitet. Aber tut Jebsen nicht dasselbe wie seine Kritiker, wenn er anstelle des Antisemitismusvorwurfs vorschnell den Begriff des „Rassismus“ auf Gegner anwendet? „Ich will Broder ja nicht entlassen“, sagt er zur JF.

Der RBB stoppte schließlich die Ausstrahlung von KenFM, da es Vorwürfe gebe, „er sei Antisemit und leugne die Verbrechen des NS-Regimes“. Nach einer Prüfung teilte Programmdirektorin Claudia Nothelle jedoch zunächst mit, die Vorwürfe seien „unbegründet“, allerdings habe Jebsen „in manchen Fällen die Grenze überschritten“. Zukünftig müsse Jebsen stärker darauf achten, „journalistische Standards einzuhalten“, worüber man „klare Absprachen“ getroffen habe.

14 Tage später dann die Wendung: Der RBB trennt sich von Jebsen, da dieser die Absprachen nicht eingehalten habe. Der Reporter habe „nicht ausreichend redaktionell geprüfte und abgenommene Beiträge“ auf Sendung gehen lassen. Für Jebsen ist das jedoch nur vorgeschoben, denn der RBB habe hierfür „keinen einzigen Beleg“ genannt, außer den Hinweis auf externe Beschwerden. Nachdem er gegen die Entlassung klagte, einigten sich beide Seiten schließlich außergerichtlich. Wie der Tagesspiegel meldet, wurde über Details der Einigung Stillschweigen vereinbart.

Offenbar war die Summe groß genug, um Jebsens Traum von einer eigenen Sendung zu erfüllen.

KenFM. Internetradiosender www.kenfm.de

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