© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/12 25. Mai 2012

Stopp dem Landfraß
Landwirtschaft: Agrarminister wollen Zweckentfremdung von landwirtschaftlich nutzbarem Boden eindämmen
Christian Baumann

Die weiter wachsende Weltbevölkerung verlangt eine steigende Nahrungsmittelerzeugung. Der staatlich verordnete Einsatz von Biosprit und -gas führt zu vermehrtem Agrarflächenbedarf für den Energiepflanzenanbau. Hinzu kommt die Ausdehnung von Siedlungs- und Verkehrsflächen und nicht zuletzt die erhöhte Nachfrage nach Boden durch außerlandwirtschaftliche Kapitalanleger.

Nicht nur weltweit, sondern auch in Deutschland unterliegt der Bodenmarkt erheblichen Turbulenzen: Laut einer vom Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften (BLG) initiierten Analyse ist der Wert der landwirtschaftlichen Nutzflächen in den letzten fünf Jahren durchschnittlich um 25 Prozent gestiegen, wobei die Preissteigerungen in den westlichen Bundesländern die Marke von 13 und in den östlichen von über 85 Prozent erreichen. Dort wechselten in den vergangenen zwei Jahrzehnten etwa ein Viertel der Agrarflächen den Besitzer. Keine Frage: Boden ist zu einem knappen Gut geworden und angesichts der Zweckentfremdung von landwirtschaftlich nutzbarem Boden wird in dem aktuellen BLG-Gutachten vor ernstzunehmenden Gefahren für die Agrarstruktur Deutschlands gewarnt.

Grund genug, daß diese brisante Entwicklung auch zu den zahlreichen Tagesordnungspunkten der jüngsten Agrarministerkonferenz zählte. Auf Bitte von Till Backhaus, Agrarminister von Mecklenburg-Vorpommern, sollte die Problematik „Landwirtschaftlicher Bodenmarkt“ diskutiert werden, da insbesondere im früheren DDR-Gebiet die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe zunimmt, denen im Poker um Pachtflächen immer schneller die Luft ausgeht.

Nach Ansicht des SPD-Politikers sind die Bodenpreissteigerungen eine Folge der Finanzmarktkrise und der Privatisierungsstrategie des Bundes. Er forderte einen Paradigmenwechsel bei der Privatisierung landwirtschaftlicher Flächen, wobei er den Bund in der Handlungspflicht sehe. Der Agrarminister betonte, daß länderspezifischen, agrarstrukturellen Belangen der Vorrang gegeben werden müsse, statt rein fiskalischen Interessen zu folgen.

In der Tat wiesen schon im Vorfeld der Ministerkonferenz die Länder die Schuld an der exorbitanten Preisentwicklung der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) zu, die als Treuhandnachfolgerin für die Privatisierung der Äcker, Wälder und Seen in den neuen Bundesländern zuständig ist und für den Bund bereits Hunderte Millionen Euro erwirtschaftet hat. Allerdings nicht nur auf Kosten der Alteigentümer (JF 3/11), sondern auch der Länder, wie der brandenburgische Landwirtschaftsminister Jörg Vogelsänger (SPD) empfindet. Er verweist darauf, daß die Verwertungsstrategie des Bundes bei der Flächenprivatisierung darauf ausgerichtet sein müsse, auch kleinere Höfe zu erhalten und wertvollen Grund und Boden nicht zum Spielball für Spekulanten verkommen zu lassen.

Maßnahmenkatalog gegen den Boden-Raubbau

Um der Problematik Nachdruck zu verleihen, legten zu Beginn der Agrarministerkonferenz Regionalvertreter des Bauernverbandes (DBV) Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) eine Resolution vor, um die Forderung „Stoppt Landfraß“ erneut zu bekräftigen. Aufgrund der Tatsache, daß täglich alleine rund 90 Hektar Acker- und Grünlandfläche in Deutschland diversen Siedlungs- und Verkehrsmaßnahmen zum Opfer fallen, erstellten die Berufsstandvertreter einen Maßnahmenkatalog, der diesen Raubbau stoppen soll.

Unter anderem wird darin gefordert, daß die Innenentwicklung von Dörfern gegenüber neuer Versiegelung präferiert werden solle, Flächen wie etwa Industriebrachen zu „entsiegeln“ seien oder der Naturschutzausgleich flächenschonend erfolgen solle. Die Regierung und die Bundesländer wurden aufgerufen, ein umfassendes Programm zur Senkung des Flächenverbrauches vorzulegen und eine Gesetzgebung zum Schutz und der Erhaltung landwirtschaftlicher Flächen, vergleichbar mit dem Waldgesetz, zu etablieren.

Immerhin kamen die Agrarminister angesichts der unmißverständlichen Sichtweise des bäuerlichen Berufsstandes und der Länderminister in ihrer Beschlußfassung am Ende der Konferenz dahingehend überein, konkrete Maßnahmen zur Reduzierung des Flächenverbrauchs erarbeiten zu lassen. Dazu soll ein Expertengremium zunächst die agrarstrukturellen Belange und mögliche Vorgaben zum Schutz fruchtbarer Böden konkretisieren. Ferner sollen künftig bei Planungen neben den Naturschutzbehörden auch land- und forstwirtschaftliche Fachbehörden einbezogen werden.

Gleichwohl scheint das Fazit des erwähnten BLG-Gutachtens ungehört zu verhallen: Denn wie die Experten darin explizit postulieren, bieten die bestehenden Vorschriften des Grundstückverkehrsgesetzes von 1961 und des Reichssiedlungsgesetzes (1919/1964) bzw. des Agrarstrukturverbesserungsgesetzes (ASVG 2009) eine wirkungsvolle Handhabe gegenüber Flächenverkäufen an Nichtlandwirte zum Zwecke der Kapitalanlage. Eine Erweiterung auf kleinere Veräußerungsvorgänge könnte durch eine Senkung der Freigrenzen erfolgen.

Die fehlende Regelung in puncto Erwerb von Geschäftsanteilen an landwirtschaftlichen Unternehmen könnte auf einfachgesetzlicher Ebene aufgehoben werden. Des weiteren wird auf Vollzugsdefizite bei der Anwendung des Landpachtverkehrsgesetzes hingewiesen, da nur ein Bruchteil aller tatsächlich abgeschlossenen oder geänderten Pachtverträge den Behörden angezeigt wird. Eine entsprechende Gesetzesänderung könnte der behördlichen Kontrolle die Grundlage bieten. Der von den Gutachtern in der Studie empfohlene gesetzliche Änderungsbedarf könnte demnach – wenn es denn politischer Wille wäre – relativ einfach vollzogen werden.

 

Petition des Bauernverbandes

Der Deutsche Bauernverband (DBV) hat den Bundestag in einer Petition mit dem Titel „Landwirtschaftliche Bodennutzung“ aufgefordert zu beschließen, daß „auf gesetzlichem Wege landwirtschaftliche Nutzflächen als unvermehrbare Produktionsgrundlage zur Ernährungssicherung und für nachwachsende Rohstoffe geschützt werden“. Ferner solle er „die Bundesregierung beauftragen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um den Flächenverbrauch durch Überbauung sowie durch Ausgleichsmaßnahmen zu reduzieren“. Das Ziel der Nationalen Nachhaltigkeitsstrategie, den Flächenverbrauch bis 2020 von derzeit etwa 90 auf 30 Hektar pro Tag zu reduzieren, liege „in weiter Ferne“, heißt es in der DBV-Begründung. „Böden müssen im Sinne zukünftiger Generationen besser vor Überbauung geschützt und effizient zur Erfüllung der vielfältigen Aufgaben genutzt werden.“ Die DBV-Petition ist derzeit in der parlamentarischen Prüfung des Bundestages.

Text der DBV-Gesetzesinitiative zum Flächenschutz: www.bauernverband.de

Foto: Die Urbanisierung schreitet voran: Erhöhte Nachfrage nach Agrarflächen durch außerlandwirtschaftliche Kapitalanleger treibt die Preise

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