© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Junger Wilder
„Focus“: Jörg Quoos wird neuer starker Mann – und der Redaktionssitz in Berlin wird erheblich ausgebaut
Michael Manns

Zuerst ging Sexy-Eva. Das war im März. Bild-Chef Kai Diekmann hatte entschieden: Weg mit all den barbusigen Evas, Lolas und Susis von der Seite 1 – ab in den Innenteil der Zeitung. Und jetzt geht auch noch sein Vize – Jörg Quoos, der so treu ihm diente. „Quoosi“, wie sie ihn fast zärtlich nennen, wechselt zum Focus. Uli Baur, der jetzige Chefredakteur, wird dann Herausgeber. Damit hat das Magazin gleich zwei – denn da ist ja noch der legendäre Helmut-„Fakten- Fakten-Fakten“-Markwort.

„Kompetent und loyal“, so schildern Insider den ehemaligen Luftwaffensoldaten Jörg Quoos. Seit 1992 diente er bei Bild. Er kam mit Claus Larass. Zur „Larry-Gang“ gehörten Bela Anda, der es unter Kanzler Schröder bis zum Regierungssprecher brachte. Ferner Kai Diekmann, später Chefredakteur. Claus Larass rückte später in den Vorstand auf, war sogar als Vorsitzender im Gespräch, bis er unter demütigenden Umständen das Haus verließ.

Diese jungen Wilden sorgten für frischen Wind und räumten mit einigen unseligen Traditionen beim Boulevardblatt im Laufe der Zeit auf. Höflichkeit kehrte ein, Fäkalsprache wurde reduziert, und die Lautstärke wurde heruntergeregelt. Letzte Ausnahme ist Briefe-Schreiber und Frauen-Beleidiger (Eva Herman) Franz Josef Wagner – als „Gossen-Goethe“ irgendwie aus der Zeit gefallen. Ansonsten blieb man den populistischen Themen treu, und der Kampagnen-Journalismus wurde perfektioniert. Siehe Causa Wulff.

Der Politikteil, maßgeblich mitgestaltet von Quoos, wurde aufgewertet, umfaßt nun die ganze Seite zwei. Bild will eine seriöse politische Berichterstattung bieten und zu einem ernstzunehmenden politischen Leitmedium – neben FAZ und SZ – werden. Der Auflage hat das alles nicht geholfen. Wurden nach der Wende über fünf Millionen gedruckt, ist Bild heute halbiert. Verlag und Chefredaktion aber trösten sich mit Multiplizieren: Da jedes Exemplar durch mehrere Hände gehe, habe Bild täglich rund elf Millionen Leser.

Wohltuend wurde von vielen dieser Paradigmenwechsel empfunden. Ansonsten schütteln viele frühere Springer-Freunde nur noch den Kopf über den Kurs des Hauses und die Positionierung seiner Zeitungen. Spätestens seit Beginn der Ära Döpfner begann der „Relaunch der Werte“ und Ideale. Konservatives Gedankengut wurde systematisch entsorgt, ein Prozeß, der bezeichnenderweise parallel zur Entkernung der CDU lief. Da nützte auch die bombastische Feier zum 100. Geburtstag von Axel Springer nichts. Zu sehr hat sich der Verlag von seiner Gedankenwelt entfernt.

Zurück zu Quoos. Er arbeitete sich in der filigran geschnitzten Hierarchie von Bild langsam nach oben. Da gab es und gibt es nicht nur einfache Schreiber-Soldaten und die Chefs, sondern stellvertretende Ressortleiter, dann richtige Ressortleiter, Chefs vom Dienst, stellvertretende Chefs vom Dienst, gar einen geschäftsführenden Redakteur. Und dann kommen die Mächtigen: Stellvertreter des Chefredakteurs (davon zwei) und die Nummer eins – der Chefredakteur. Jörg Quoos war neben Alfred Draxler Stellvertreter von Diekmann.

Auch Quoos’ neuer Job in München ist nichts für schwache Nerven. Der Focus hat turbulente Zeiten hinter sich. Der kantige und angesehene Markwort, von Burda als „erster Journalist des Hauses“ geadelt, hatte das Magazin einst in ungeahnte Höhen katapultiert und endlich eine Konkurrenz zum Spiegel etabliert. Ein Projekt, mit dem der Axel-Springer-Verlag immer nur mal spielte und sich doch nie traute. Doch dann plagten Konzept-, Personal- und Auflagenprobleme das Magazin aus München-Bogenhausen.

Als Retter holte Burda Wolfram Weimer vom Cicero, wo er sich als mutiger Wertkonservativer zu erkennen gegeben hatte, der gegen den Mainstream anschrieb. So bezeichnete er den Klimawandel auch schon mal als „Öko-Horrorshow“ und „Panikmache“ und kritisierte die Integrationsdebatte als „naiven Multikulturalismus“ und „Multi-Kulti-Lüge“.

Weimer wollte den Focus umkrempeln. Weg von Nutzwertartikeln (Sonnencremes im Vergleich, die beste Digitalkamera) hin zu Debatten-Artikeln. Er scheiterte und verließ das Blatt im Sommer vergangenen Jahres. Insider berichten, der Widerstand von Co-Chef Baur und Herausgeber Markwort sei zu groß gewesen.

Jetzt also Quoos. Mehr Boulevard? Baur verneint. Der FAZ sagte er: „Inhaltlich braucht der Focus keinen Kurswechsel.“ Er soll ein Blatt sein, das man als „bürgerlich-verantwortungsbewußt“ bezeichnen möchte. Es soll die Leistungsträger interessieren, „die Schaffner und Macher, von der Krankenschwester bis zum Facharbeiter bis zum Ingenieur.“ Ein Blatt für alle also, vom Proleten bis zum Boß. Klingt ganz nach der Bild-Ideologie: die große Gemeinschaft, die einig am Lagerfeuer sitzt.

Sonst noch was? Ja, die Berliner Redaktion soll verstärkt werden (was schon Weimer wollte) – von 15 auf 30 Redakteure. Aber das Blatt soll weiter in München gemacht werden. Kein Umzug also. Jedoch: Anfang der Woche wurde bekannt, daß Quoos, der mit seiner Familie im Berliner Umland lebt, vor allem vom Berliner Büro aus arbeiten will. Das hört sich anders an als eine klare Entscheidung für München als Firmensitz.

Foto: Jörg Quoos: Der Neue beim Focus ersetzt demnächst Uli Baur (links) als Chefredakteur, der sich zuvor mit Co-Chef Wolfram Weimer um die Richtung gestritten hatte. Weimer forderte unterdessen in der FAZ per Ferndiagnose, Focus brauche weniger einen Kurswechsel als einen Kurs.

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