© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Zeitschriftenkritik: Philosophie
Den Ton der deutschen Seele umkreist
Ellen Kositza

Man wird es so sagen dürfen: Das nun in seiner vierten Ausgabe erscheinende Philosophie-Magazin richtet sich an Leser, die im Gymnasium die Philosophie-AG besuchten, später andere Wege gingen, die „Liebe zur Weisheit“ gleichwohl nicht aufgegeben haben. Mal aufgelockert „tief schürfen“, ohne sich durch Fachtermini und akademische Binnendiskurse zu wälzen – hier ist es möglich.

Ex-Cicero-Mann Wolfram Eilenberger und die agile Publizistin Svenja Flaßpöhler bilden den Kern der Redaktionsmannschaft. Mit der Frage „Denken Deutsche anders?“ hat man sich für die aktuelle Nummer Mai/Juni 2012 erneut ein hübsches Titelthema gewählt. Im Editorial beschreibt Eilenberger eine so anstrengende wie lohnenswerte Waldwanderung. Wald! Wandern! Fraglos sehr deutsche Sehnsüchte. Den Weg sei er schon häufiger gegangen, doch heute noch sei er unsicher, „ob nun der rechte oder linke Pfad hinauf zu Mühle des Teufels“ im Schwarzwald führen werde. Entsprechend richtungsoffen geht es im Heft zu. Carl Schmitt taucht ebenso auf wie eine Eloge auf die bedrohte Spezies des Helden. Daneben schilt man hingegen in progressistischem Gestus das altmodische deutsche Inzestverbot: Dies greife leider auf ein „biologisches Verständnis von Verwandtschaft“ (!) zurück, ohne „den postmodernen Familienstrukturen des 21. Jahrhunderts Rechnung zu tragen“!

Im großangelegten Dossier wird der Dreiklang „Bauen, Schützen, Fürchten“ als Ton der deutschen Seele umkreist. Während der Ingenieursartikel mäßig gerät („homo faber teutonicus“ habe schließlich mit Perfektionswahn V2-Raketen konstruiert; darüber hinaus sei „Made in Germany“ ein hohler Mythos und ein Gerücht), liest sich Flaßpöhlers versöhnlicher Artikel über die „german Angst“ als Ausdruck existentieller Tiefe sehr (seelen)kundig.

Ferner lobt der Sportphilosoph Gunter Gebauer unter der Überschrift „Özil müßte schießen …“ die „erfreuliche Öffnung“ des deutschen Profifußballs. Endlich weg von der „schmucklosen traditionellen deutschen Fußballideologie“! Früher scheiterten „Menschen fremder Herkunft“ nicht nur an der „Ausländerbehörde“. Die Ausgrenzung setzte sich am Spielfeldrand fort: Fremdstämmige Spieler wurden „auf der Bank sitzen gelassen.“ Als Toröffner, der mit einer „unsäglichen deutschen Tradition“ gebrochen habe, lobt Gebauer Jürgen Klinsmann, dem man gottlob die „Realität einer Einwanderergesellschaft nicht erst erklären“ mußte. In den (auch in fußballerischer Hinsicht) multikulturellen Vorreiterländern Frankreich und Holland hingegen lasse das zunehmende fremdenfeindliche Denken die Spielweisen der Nationalteams nicht unbeeinflußt.

Doch selbst wem Gebauers Räsonnement über das Erfolgsgeheimnis multikultureller Teams allzu trivial ist, dem wird geholfen: In der Heftmitte findet sich als Sammelbeilage ein eingehefteter Auszug aus Platons „Apologie des Sokrates“. So mag jeder selbst entscheiden, auf welchem Weg er zur Weisheit findet.

Kontakt: Philomagazin Verlag, Rodenbergstraße 29, 10439 Berlin. Das Einzelheft kostet 5,90 Euro. www.philomag.de

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