© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/12 18. Mai 2012

Röttgen abgeschaltet
Nordrhein-Westfalen: Die CDU kehrt nach dem Debakel die Scherben zusammen
Ansgar Lange

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen hat vor allem den CDU-Spitzenkandidaten Norbert Röttgen entzaubert. In den letzten Wochen war zu spüren, daß der Bundesumweltminister in seinem eigenen Landesverband regelrecht verhaßt war. Nun könnte er alles verlieren: den Anspruch, Kanzlerkandidat im Wartestand zu sein, und vielleicht sogar das Ministeramt in Berlin.

Röttgen wird vorgehalten, daß kaum jemand in einem Wahlkampf so viele Fehler gemacht habe wie „Muttis Klügster“, der laut Bild zu „Muttis Dümmstem“ wurde. Seine mangelnde Bereitschaft, auch nach einer Wahlniederlage nach Düsseldorf als Oppositionsführer zu gehen, demoralisierte die Kernwählerschaft der Union. In dem rhetorisch begabten Christian Lindner (FDP) werden auch viele CDU-Wähler einen Garanten dafür gesehen haben, daß wenigstens noch einer den Anspruch erhebt, im Düsseldorfer Landtag eine glasklare bürgerliche Oppositionspolitik zu betreiben. Mit Typen wie Wolfgang Kubicki in Schleswig-Holstein und Christan Lindner in NRW – so unterschiedlich sie auch sein mögen – haben die Liberalen unter Beweis gestellt, daß sie gewinnen können, wenn Person und Programm zusammenpassen. Lindner, vor kurzem noch als FDP-Generalsekretär vermeintlich gescheitert, könnte jetzt eine grandiose Zukunft vor sich haben. Düsseldorf muß für ihn nicht Endstation sein.

Seit Röttgen sich gegen seinen Konkurrenten Armin Laschet durchsetzte und den größten CDU-Landesverband führte, hat die Union an Rhein und Ruhr keine Akzente mehr gesetzt. Das Mobilisierungsthema Schulpolitik war entfallen, seit man sich mit SPD und Grünen auf einen „Schulfrieden“ geeinigt hatte. Plötzlich galt nur noch die FDP als die Partei, die sich vehement für einen Bestandsschutz für die Gymnasien einsetzte. Es war nicht nur der kühle Kopfmensch Röttgen, der als Person – im Gegensatz zur alle umarmenden „Landesmutter“ Hannelore Kraft – nicht gut ankam bei Rheinländern und Westfalen. Auch seine Inhalte stimmten nicht, so seine Kritiker.

Die Wahl in NRW zur Abstimmung über die Politik der „Schuldenkönigin“ Kraft zu machen, war ein Fehler, denn die Union blieb eigene Sparvorschläge schuldig. Die von Rot-Grün abgeschafften Studiengebühren wollte die CDU nach dem Wunsch Röttgens auch nicht wieder einführen, bei den Hilfen für die notleidenden Kommunen wollte man sogar noch eine Schippe drauflegen. Eine Partei, die nur sagt, wogegen sie ist, aber keine eigenen Vorschläge macht, kann keine Wahlen gewinnen. Selbst CDU-Stammwähler gerieten ins Grübeln, daß ausgerechnet der Organisator der teuren Energiewende und Fürsprecher der Euro-Rettungspolitik für eine solide Haushaltspolitik stehen könnte, sollte er denn Ministerpräsident werden.

Die Grünen können nun zusammen mit der SPD komfortabel regieren. Doch so langsam gehen der Partei die Themen aus. Dies war auch im Wahlkampf spürbar. Die Themen Schul- und Atompolitik konnten nicht zur Mobilisierung genutzt werden. Die SPD hat sicher nicht von einer grandiosen Regierungsleistung profitieren, sondern von einer Spitzenkandidatin, die viele als sympathisch und authentisch wahrgenommen haben. Krafts Macht in der Partei dürfte wachsen. Warum, so werden manche sagen, sollte man nur zwischen drei männlichen Wahlverlierern (Sigmar Gabriel, Peer Steinbrück, Frank-Walter Steinmeier) wählen, wenn man auch eine Wahlsiegerin ins Rennen gegen Angela Merkel schicken könnte. Sollte Frau Kraft gegen Merkel antreten, dürfte sie gute Chancen haben, auch wenn sie dafür ihr Versprechen brechen müßte, in Düsseldorf zu bleiben.

In der CDU werden nun auch wieder Fragen laut, ob Merkels „Modernisierungskurs“ wirklich alternativlos ist. Röttgen stand als ehemaliges Mitglied der schwarz-grünen „Pizza-Connection“ wie kein zweiter für eine sozialdemokratisierte Union, die nach linken Bündnissen schielt und die FDP als „natürlichen“ Koalitionspartner gar nicht mehr wahrnimmt. Diese Politik der Anbiederei ist bei den Grünen in NRW nicht gut angekommen, bei den bürgerlichen Wählern schon gar nicht. Es mag ein Mißverständnis sein, doch viele frühere Friedrich-Merz-Wähler in der Union entschieden sich für Lindner und gegen Röttgen. Den FDP-Wahlsieger wird man nun an seinem eigenen Anspruch messen müssen, in Düsseldorf das Damen-Duo Kraft und Löhrmann inhaltlich zu stellen.

Die Ministerpräsidentin steht vor der Aufgabe, endlich ein Kabinett zu bilden, daß seiner Aufgabe gewachsen ist. Hier sind Umbesetzungen nötig, wenn man die Wähler nicht schnell enttäuschen will. Doch noch überstrahlt das Ansehen Frau Krafts – ähnlich wie bei der Kanzlerin und Parteivorsitzenden in Berlin – die programmatische Blässe der eigenen Partei. Solange aber Milliarden Euro für die Rettung Griechenlands ausgegeben werden, dürfte auch Krafts Politik auf Pump ihren zweifelhaften Charme behalten. Die Spitzengenossin, so sagen manche, gibt das Geld wenigstens bei uns und nicht in fernen Südländern aus.

Foto: Die CDU-Wahlplakate mit Norbert Röttgen haben ausgedient: Auch die Inhalte stimmten nicht

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