© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Voller Körpereinsatz
Konzert: Die Cellistin Sol Gabetta auf Tour
Petra Knoll

Noch im 18. Jahrhundert war das Cello ein umstrittenes Instrument. Der Kampf zwischen Cello und Gambe um einen sicheren Platz im Orchester tobte. War die Ablehnung berechtigt? Die Cellistin Sol Gabetta zeigt das Potential des Instruments.

Das Cello sei eine erbärmliche Krabbe, ein alter Teufel. Es solle lieber am Hungertod sterben, als den Platz der Gambe einnehmen, meinte der Autor Le Blanc im Jahre 1740. Stattdessen schmeichle das Cello und gehe Glücksphantasien nach. Und in der Tat: Das Cello regt die Phantasie an mit seinen warmen und dunklen Tönen – zumindest wenn Sol Gabetta über das Instrument streicht. Ihr ganzer Oberkörper vibriert um das Cello wie ein Zitteraal. Bei soviel Körpereinsatz für Schumanns Cellokonzert (Opus 129) verwundert es nicht, daß sie nicht länger als eine halbe Stunde spielt – im Verbund mit dem BBC-Orchester aus Manchester.

Wer nur die Werbefotos von Sol Gabetta kennt, tippt schnell auf ein aufgebrezeltes Modepüppchen, gezielt hochgepuscht durch die Musikindustrie. Spielt sie wirklich so überragend, wie immer getan wird?

Im Konzertsaal agiert Gabetta mit großen Gesten, mit Schwung und Temperament. Die Argentinierin beherrscht ihr Metier sicher. Selbst schwierigste Fingerkombinationen sind für die 30jährige scheinbar mühelos. In der Daumenlage ist sie souverän und trifft punktgenau alle Töne.

Die Bandbreite ihres Könnens zeigt sich in der Zugabe, ein kurzes Stück aus „Das Buch“ des lettischen Tonsetzers Peteris Vasks. Drei Minuten spielt sie alleine, ohne Orchester. Die Saiten tippt sie nur leicht an, so daß Obertöne hörbar werden, die den Tönen einer Flöte ähneln. Dazu singt sie ein langgezogenes A mit ihrer hellen und wohltönenden Sopranstimme.

Das britische Orchester begann gekonnt mit zwei deutschen Romantikern: Schubert und Schumann. Nach der Pause folgte der englische Komponist Edward Elgar. Der Titel „Enigma“ (das Rätsel) ist Programm. Die Musik läßt sich nicht auf einen einfachen Begriff bringen, sondern ist ein bunter Eintopf unterschiedlicher Stile. Mal romantisch-verträumt, dann neoklassisch, alsbald glaubt man sich in einem gemütlichen Café, schließlich wird es bombastisch. Sol Gabetta ist wirklich eine Meisterin ihres Fachs.

Nächste Konzerte mit Sol Gabetta in Essen (2. Juni), Berlin (7.–9 Juni), Solsberg in der Schweiz (15.–17. Juni) und Bad Kissingen (30. Juni).

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