© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Dem Gewissen folgen
Plagiatsvorwürfe: Bildungsministerin Annette Schavan soll bei ihrer Doktorarbeit geschummelt haben
Thorsten Thaler

Das Bild hat sich eingeprägt: Bundesbildungsministerin Annette Schavan steht neben Angela Merkel am 1. März 2011 auf der Computermesse Cebit. Merkel reicht ihr ein Mobiltelefon mit der SMS über die Rücktrittsabsicht von Karl-Theodor zu Guttenberg wegen dessen Plagiatsaffäre. In diesem Moment kann sich Annette Schavan ein kurzes Grinsen nicht verkneifen. Immerhin hatte sie zuvor in einem Interview über ihren CSU-Kabinettskollegen gesagt, sie schäme sich „nicht nur heimlich“.

Doch jetzt gerät ausgerechnet die Bundesbildungsministerin (56) wegen ihrer eigenen Doktorarbeit ins Visier. Annette Schavan wurde 1980 an der Philosophischen Fakultät der Universität Düsseldorf mit einer Arbeit über „Person und Gewissen. Studien zu Voraussetzungen, Notwendigkeit und Erfordernissen heutiger Gewissensbildung“ promoviert. Nun wirft ihr ein anonymer Blogger auf der eigens eingerichteten Internetseite schavanplag.wordpress.com vor, an mehreren Stellen ihrer Doktorarbeit abgeschrieben und Quellen nicht genannt zu haben. Bei Redaktionsschluß dieser Ausgabe am Dienstag listete die Seite Übernahmen auf 56 Textseiten aus 25 Quellen auf. Annette Schavan selbst schweigt bislang beharrlich zu den Vorwürfen. Sie will die Überprüfung durch den Promotionsausschuß der Düsseldorfer Universität abwarten. Währenddessen jedoch wächst der Druck nicht nur der politischen Gegner auf Schavan weiter: Die Junge Union in ihrem eigenen CDU-Landesverband Baden-Württemberg hat mittlerweile der Ministerin den Rücktritt nahegelegt.

Wie immer der Fall ausgeht, auch für Annette Schavan gilt: Wer mit dem Finger auf andere zeigt (wie im Fall Guttenberg), sollte bedenken, daß dabei drei Finger auf einen selbst gerichtet sind.

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