© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Verteidigung nach Kassenlage
Bundeswehr II: Das Ministerium versucht den Eindruck zu zerstreuen, die Streitkräfte litten unter den Sparbeschlüssen
Hans-Joachim von Leesen

Kann die Sicherheit Deutschlands nur noch nach Kassenlage gewährleistet werden? Diese Frage stellt sich, nachdem nicht zuletzt als Folge der angespannten Finanzlage des Bundes eine spürbare Reduzierung der Bundeswehr notwendig geworden ist. Die Streitkräfte sollen auf 185.000 Soldaten schrumpfen, aufgeteilt in 170.000 Zeit- und Berufssoldaten, bis zu 12.500 freiwillig Wehrdienstleistende sowie 2.500 Dienstposten für Reservisten. Die Anzahl der Standorte wird deutlich reduziert.

Der Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium, Rüdiger Wolf, versuchte nun bei einem Vortrag in Kiel, Befürchtungen vor einer Auszehrung zu zerstreuen und deutlich zu machen, daß trotz der Reduzierung der Bundeswehr die Sicherheit Deutschlands nicht gefährdet sei. Im Gegenteil, so seine These, es sei sogar dringend notwendig gewesen, die Strukturen endlich den Gegebenheiten anzupassen und die Streitkräfte auf neue Herausforderungen vorzubereiten, um so auch künftig die Sicherheit Deutschlands zu gewährleisten. Nun gelte es, trotz des in Zukunft vermutlich weiter sinkenden Wehretats auch internationale Einsätze der Bundeswehr zu ermöglichen, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken. Afghanistan läßt grüßen. Die Bundesrepublik habe sich der Nato gegenüber verpflichtet, erinnerte Wolf, zeitgleich stets über 10.000 einsatzbereite Soldaten zur Verfügung zu stellen. Im übrigen komme es nicht auf die Quantität der Bundeswehr an, sondern auf ihre Qualität, und die sei, so der Staatssekretär, bei den Bündnispartnern anerkannt. Er warnte davor, die Armee allein nach den Erfahrungen neu aufzubauen, die man im Afghanistan-Einsatz gesammelt habe. Es dürften in Zukunft zahlreiche neue und ganz anders geartete Aufgaben auf die Soldaten zukommen.

Die Bundeswehr müsse sich angesichts der sinkenden finanziellen Mittel zudem von der „Vollausstattung“ verabschieden, das heißt, die Truppe muß in Zukunft nicht mehr über einhundert Prozent der notwendigen Ausrüstung verfügen, so daß die nicht benötigte Ausrüstung zeitweise anderen Einheiten überlassen werden könnte. Angestrebt werde zudem eine Verjüngung der Truppe. Daher müsse man alle Methoden anwenden, um die sowieso knapper werdenden jungen Männer und Frauen zu gewinnen. Dabei könne es nicht darum gehen, finanzielle Anreize zu bieten.Vielmehr müsse wieder die Ansicht zum Allgemeingut werden, daß der Dienst in der Bundeswehr „Ehrendienst“ sei.

Als bedenklich bezeichnete es Wolf, daß die Einheiten der Bundeswehr nicht an allen Einsätzen der Nato beteiligt werden können, da immer wieder deutsche nationale Regelungen dem entgegenstehen. Damit gemeint war vermutlich neben dem Parlamentsvorbehalt bei Einsätzen das verständliche Bestreben der politischen Führung, Verluste im Einsatz zu verhindern; ein Hauptgrund dafür, daß in offiziellen Verlautbarungen lange Zeit nicht von „Gefallenen“, sondern von „getöteten Soldaten“ die Rede war.

Gefragt, welche Wünsche der Staatssekretär äußern würde, wenn ihm einige offen wären, nannte er vor allem die Instandsetzungslücke für die Ausrüstung der Bundeswehr, die dringend geschlossen werden müsse. Dazu fehle allerdings das Geld. Der zweite Wunsch: Endlich müsse das Lufttransportproblem gelöst werden, das bereits seit einiger Zeit in den Berichten des Wehrbeauftragten eine wichtige Rolle spielt. So kann die Bundeswehr aus eigener Kraft keine Verwundeten aus der Luft bergen, sondern muß diese Aufgabe den amerikanischen Verbündeten ebenso zuschieben wie die Luftunterstützung im Gefecht.

Die Frage, ob Meldungen in den Medien zuträfen, daß die Zahl der Wehrdienstverweigerer unter den aktiven Soldaten deutlich zunehme, mußte der Staatssekretär bejahen, ohne die Gründe benennen zu können.

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