© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/12 11. Mai 2012

Kieler Farbenspiele
Schleswig-Holstein: SPD setzt auf eine Koalition mit Grünen und Dänen-Partei
Hans-Joachim von Leesen

Fast alle Parteien konnten am vergangenen Sonntag in Kiel mit einiger Berechtigung erklären, daß sie erfolgreich abgeschnitten hatten. Mit 30,8 Prozent der abgegebenen Stimmen ist die CDU unter Jost de Jager stärkste Partei geworden. Zwar hat die SPD ihr angepeiltes Ziel, mindestens 40 Prozent zu gewinnen, deutlich verfehlt, doch bedeuten auch 30,4 Prozent den Gewinn der Macht, da sie freie Auswahl unter den möglichen Koalitionspartnern hat, um eine regierungsfähige Mehrheit zu bilden. Die Grünen (13,2 Prozent) sowie der Südschleswigsche Wählerverband SSW, die Partei der dänischen Minderheit, die von der Fünfprozenthürde befreit ist und daher mit 4,6 Prozent in den Landtag einzieht, hatten bereits vor der Wahl angekündigt, daß sie für eine Zusammenarbeit mit der SPD zur Verfügung stünden.

Und so wird dann wohl nach dem bisherigen Stand der Dinge der derzeitige Oberbürgermeister von Kiel, Torsten Albig, vom neuen Landtag zum schleswig-holsteinischen Ministerpräsidenten gewählt werden. Allerdings würde die sogenannte „Dänen-Ampel“ aus SPD, Grünen und SSW nur mit einer Stimme Mehrheit regieren. Die Piratenpartei hat jedoch bereits angekündigt, das Bündnis bei Gelegenheit mit ihren sechs Abgeordneten zu unterstützen.

Fest steht, daß die SPD ihr Ergebnis allein ihrem Spitzenkandidaten Torsten Albig zu verdanken hat, der wesentlich höhere Sympathiewerte unter den Wählern aufweist als die Partei, die als Ziel die 40-Prozent-Marke ausgegeben hatte. Auch die FDP hat ihrem Spitzenkandidaten viel, wenn nicht gar alles zu verdanken. Wurden die Liberalen noch vor wenigen Wochen mit zwei Prozent der Wählerstimmen gehandelt, zogen sie nun mit acht Prozent triumphierend wieder in den Landtag ein. Laut einer Umfrage haben 54 Prozent der FDP-Wähler die Partei allein wegen des Fraktionsvorsitzenden Wolfgang Kubicki („60 Jahre alt und fast 90 Kilogramm schwer“, wie er sich charakterisierte) gewählt. Für eine Neuauflage der Regierungskoalition aus FDP und CDU reicht es trotzdem nicht.

Bemerkenswert ist die Wahlbeteiligung von 60 Prozent. Es scheint sich damit ein deutschlandweiter Trend abzuzeichnen, gingen doch vor zwei Monaten im Saarland nur 61 Prozent zur Wahl und im vergangenen Jahr in Bremen gar nur 55,9 Prozent.

Enttäuschend das Ergebnis der nun zum zweiten Mal in Schleswig- Holstein landesweit angetretenen Freien Wähler, die gerade einmal 7.860 Stimmen (0,6 Prozent) auf sich vereinigten konnten. Es zeigte sich, daß die in nahezu allen Gemeinden aktiven Gemeinschaften von unabhängigen Wählern an einer landesweiten Interessenvertretung nicht interessiert sind. Außerdem fehlt dem Landesverband die landesweite Organisation, so daß es ihnen nicht gelang, neben der Landesliste auch Direktkandidaten in den Wahlkreisen aufzustellen. Der Landesverband der Freien Wähler, der schuldenfrei aus dem Wahlkampf hervorgeht, will dennoch weitermachen. Der frühere BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel, der sich seit einiger Zeit für die Freien Wähler engagiert, ist optimistisch, daß es bei der Wahl in
Nordrhein-Westfalen besser laufen wird. „In Schleswig-Holstein hatten die Freien Wähler keine Alternative vorgeschlagen, das ist in NRW anders: Dort hat man sich für den Nordeuro beziehungsweise die Rückkehr zur D-Mark entschieden. Ich hoffe, daß das etwas bewirkt“, sagte Henkel der JUNGEN FREIHEIT.

Der CDU hat die Schleswig-Holstein-Wahl gezeigt, wie schwierig es für sie künftig ist, jenseits von einer Großen Koalition Bündnisse zu organisieren, zumal wenn die Liberalen auf niederigem Niveau verharren. Die SPD hingegen kann unter den zahlreichen Linksparteien auswählen. Auch einsichtige CDU-Politiker dürften sich inzwischen eingestehen, daß es ihr in absehbarer Zukunft nicht gelingen wird, eine absolute Mehrheit zu gewinnen, so daß sie immer öfter isoliert dastehen wird.

Am 5. Juni wird sich der neue Landtag in Kiel konstituieren. Es wird spannend, ob die „Dänen-Ampel“ bis dahin tatsächlich steht, oder ob die SPD nach der Wahl in NRW nicht doch noch auf eine Große Koalition mit der CDU einschwenken wird.

Foto: Spitzenkandidaten Jost de Jager (CDU) (r.) und Torsten Albig (SPD): Magere Ergebnisse

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