© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/12 04. Mai 2012

„Holt unser Gold heim!“
95 Prozent der deutschen Goldreserven lagern im Ausland. Warum eigentlich und ist das gut so? Nein, sagt eine Initiative, angeführt vom Europäischen Bund der Steuerzahler unter Rolf von Hohenhau: Unser Gold gehört nach Hause, denn nur dort sei es wirklich sicher.
Moritz Schwarz

Herr von Hohenhau, warum wollen Sie die deutschen Goldreserven heimholen?

Hohenhau: Es geht immerhin um 3.400 Tonnen puren Goldes im Wert von über 140 Milliarden Euro, absolut krisenfest und mit etwa 15 Prozent ein nicht unerheblicher Bestandteil des Kapitals unserer Bundesbank. Ich halte es für ein ureigenes Interesse, daß man einen so großen Teil seines Volksvermögens zu Hause und nicht im Ausland lagert.

Wieso?

Hohenhau: Um den Bestand besser kontrollieren und in jedem Fall darüber verfügen zu können.

Ist das denn jetzt nicht der Fall?

Hohenhau: Das wissen wir nicht.

Inwiefern?

Hohenhau: Lassen Sie mich etwas ausholen: 66 Prozent des deutschen Goldes lagern in den USA, 21 Prozent in London, acht Prozent in Paris und nur fünf Prozent in Frankfurt am Main. Man fragt sich natürlich: Warum ist das überhaupt so? Die Frage haben wir der Bundesbank auch gestellt und die Antwort bekommen: Es befinde sich eben dort, wo es einst gekauft worden ist. Mit Verlaub, das erscheint mir nicht schlüssig.

Warum nicht?

Hohenhau: Ich sehe da keinen Zusammenhang.

Also, was ist nach Ihrer Ansicht dann der wahre Grund?

Hohenhau: Das Gold wurde zur Zeit des Kalten Krieges gekauft, und man dachte sich wohl, vor allem in den USA sei es sicherer gelagert als im Frontstaat Westdeutschland.

Warum sollte die Bundesbank das nicht zugeben?

Hohenhau: Ich weiß es nicht und finde das auch verwunderlich, so wie die Verschwiegenheit der Bundesbank in dieser Sache überhaupt.

An sich ist es aber doch kein schlechtes Argument?

Hohenhau: Stimmt, nur inzwischen ist der Kalte Krieg seit zwanzig Jahren vorbei! Was die Kriegsgefahr in Europa angeht, ist Deutschland heute keineswegs weniger sicher als New York. Charles de Gaulle hat schon vor fast 45 Jahren das französische Auslandsgold per Kriegsschiff in die Heimat geholt. Warum inzwischen nicht auch wir?

Manche vermuten, es handle sich de facto um eine Art Faustpfand der ehemaligen westalliierten Siegermächte gegenüber Deutschland.

Hohenau: Das halte ich für nicht stichhaltig. Und um das klarzustellen, das Gold stammt auch nicht aus der Zeit des Zweiten Weltkrieges, wie mancher meint; es wurde also nicht quasi als Beute ins Ausland geschafft. Die Bestände wurden vielmehr vollständig in den Jahren 1951 bis 1967 gekauft. Und es kann auch keine Rede davon sein, daß wir deshalb in der Hand der Amerikaner, Briten oder Franzosen sind, weil bei ihnen 95 Prozent der Bestände lagern. Wenn, dann hat der bisherige Verzicht auf die Repatriierung unseres Goldes eher etwas mit dem mangelnden deutschen Selbstbewußtsein zu tun als mit ausländischen Interessen.

Inwiefern?

Hohenhau: Wir sagen: Es ist für einen Staat das Normalste der Welt, daß er die eigenen Reserven im eigenen Haus hat!

Warum? Welche Bedeutung haben diese Goldreserven für uns?

Hohenhau: Es spielt zweifellos eine erhebliche Rolle, ob wir über diese etwa 15 Prozent unserer Vermögensreserven, die unser Gold darstellt, sicher, sofort und ohne Einschränkungen verfügen können oder nicht. Und das ist mit letzter Sicherheit eben nur dann gewährleistet, wenn sich das Gold auch vollständig in unserer Hand befindet. Goldreserven stellen vor allem mit Blick auf Notzeiten einen Wert an sich dar. Etwa ist eine zumindest zum Teil durch Gold gedeckte Währung stabiler und mehr wert als eine vollständig ungedeckte. Wenn zum Beispiel die US-Bundesstaaten ihre negativen Salden bei der amerikanischen Notenbank ausgleichen, müssen sie das in goldgedeckten Papieren tun.

Ihre Initiative führt neben diesen grundsätzlichen allerdings auch konkrete politische Gründe an.

Hohenhau: Ja, etwa haben wir keine Gewißheit, wie es um unsere Goldbestände tatsächlich bestellt ist.

Wie das? Immerhin sicherte die Bundesregierung auf eine Anfrage des CSU-Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler 2011 zu: „Die Goldbestände, einschließlich der Bestände in den USA, werden entsprechend den gesetzlichen Vorschriften und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung dokumentiert, erfaßt, ausgewiesen und bewertet.“ Klingt doch gut.

Hohenhau: Keineswegs! Das sind die allgemein gehaltenen und unkonkreten Angaben, die alle erhalten, die bis jetzt nachgefragt haben. Wir wollen es aber genau wissen! Wir sprechen hier nämlich nicht über das Gold der Regierung, sondern über das Gold der Deutschen. Es wurde zu hundert Prozent vom deutschen Steuerzahler erwirtschaftet und bezahlt. Es ist also nicht einfach nur Regierungs-, es ist Volksvermögen! Deshalb meinen wir, daß die Deutschen ein Anrecht darauf haben, zu erfahren, wie es tatsächlich um ihre Bestände bestellt ist. Und deshalb wollen wir nicht nur wissen, daß die Bundesregierung behauptet, sie habe alles im Griff, sondern wollen die Zahlen, Daten, Fakten auf den Tisch!

Konkret bitte.

Hohenhau: Wir wollen wissen, wo genau und wie es gelagert, kontrolliert und inventarisiert wird. Wir gehen davon aus, daß eine Inventarisierung unseres Goldes in den USA seit Jahren nicht mehr gemacht wurde, dabei müßte das eigentlich alle drei Jahre stattfinden. Wir wollen außerdem wissen, ob unser Gold vollständig physisch vorhanden ist. Denn Gold wird durchaus auch innerhalb von Banken verliehen, um Erträge zu erwirtschaften. Und es interessiert uns, ob irgendwelche Ansprüche auf unser Gold erhoben, ob Gegenforderungen angerechnet werden? Kurz, wir wollen wissen, ob wir denn eigentlich im Fall des Falles auch wirklich über unser Gold vollständig verfügen können? Das alles sind Fragen, auf deren Beantwortung die Deutschen ein Recht haben!

Was ist der Grund dafür, daß die Bundesbank Ihnen nicht die gewünschte Auskunft gibt?

Hohenhau: Das wüßte ich auch gern.

Weiß die Politik die Antwort auf die Fragen und will sie nur nicht geben oder vermuten Sie, daß sie selbst nicht genau Bescheid weiß?

Hohenhau: Was die Bundesregierung, speziell das zuständige Bundesfinanzministerium angeht: Ich weiß es nicht.

Was vermuten Sie?

Hohenhau: Das etwas nicht stimmt. Diese Vermutung liegt doch nahe, angesichts dieser Art von „Informationspolitik“. Die Bemühungen der Bundestagsabgeordneten Peter Gauweiler und Philipp Mißfelder zeigen zudem, daß auch der Bundestag, also die Volksvertretung, nicht Bescheid weiß. Sicher erinnern Sie sich, daß der CDU-Abgeordnete Mißfelder Ende 2011 versucht hat, das deutsche Gold in New York in Augenschein zu nehmen. Er erhielt aber keine Besuchserlaubnis, und seine Erfahrungen beschrieb er schließlich laut Bild-Zeitung so: „Ich war schockiert. Erst hieß es, es gebe keine Liste. Dann gab es doch Listen, die geheim seien. Dann sagte man mir, Nachfragen gefährden das Vertrauen zwischen Bundesbank und US-Notenbank.“ Absurd!

Manche kritisierten Mißfelders Vorstoß als PR-Aktion eines Bundestagsabgeordneten.

Hohenhau: Es liegt in der Natur der Sache, daß Politiker, wenn sie etwas tun, versuchen, daß dies öffentlich wirksam wird. Warum nicht? Schließlich wollen sie wiedergewählt werden. Ich sage: Solange sie sich um die Dinge kümmern – und dafür bin ich den Herren Gauweiler und Mißfelder dankbar! –, dürfen sie das gerne auch publik machen. Ich gebe Ihnen schließlich auch gerade ein Interview.

Auch Ihnen unterstellen einige Kritiker, sich profilieren zu wollen. Schließlich seien Sie bekannt für Ihre öffentlichkeitswirksamen Auftritte. 2009 etwa sorgten Sie mit Ihrem Wort von der „Bananenrepublik Deutschland“ und mit Ihrer Plakataktion „Liebe Bundesregierung, jetzt treten wir Euch in den Arsch!“ für Furore.

Hohenhau: Das war eine Aktion des Bundes der Steuerzahler in Bayern. Jahr um Jahr hatten wir die Politik immer wieder fein und vornehm gemahnt, ihre Versprechen an die Bürger zu halten – ohne Resonanz. 2009 haben wir uns gesagt, offenbar müssen wir massiver werden und auch mal provozieren. Deshalb sind unsere Forderungen aber dennoch immer seriös untermauert, dafür haben wir ja unser Karl-Bräuer-Institut in Berlin. Selbst der Spiegel schrieb damals schließlich: „Gelungene Aktion“. Und das wünschen wir uns auch für die Initiative „Holt unser Gold heim!“ – aber die ist ja quasi gerade erst angelaufen.

Vor etwa sechs Wochen haben Sie die Aktion im Internet gestartet.

Hohenhau: Bis jetzt ist es noch eine reine Internet-Kampagne, in Zukunft wollen wir aber auch auf anderen Wegen die Öffentlichkeit suchen. Allerdings sind wir mit fast 5.000 Unterstützern, die wir seitdem gewonnen haben, sehr zufrieden, ein guter Anfang! Das Thema interessiert die Bürger eben.

Welche Forderungen unterstützen jene konkret, die sich Ihrer Initiative anschließen?

Hohenhau: Erstens, wie schon deutlich gemacht, eine vollständige und unabhängig testierte Bestandsaufnahme der tatsächlich vorhandenen deutschen Goldbestände. Zweitens die rasche Heimführung des im Ausland gelagerten Anteils. Drittens die Einführung eines verfassungsrechtlich abzusichernden bilanziellen Sonderstatus der Goldreserve aufgrund der schnell zunehmenden Ausbuchungsgefahr wegen der sich dramatisch verschlechternden Qualität der Bundesbank-Bilanz.

Was bedeutet?

Hohenhau: Aufgrund des „Target2“-Systems – das ist das Zahlungsverkehrssystem der europäischen Zentralbanken, über das Geschäftsbanken grenzüberschreitende Zahlungen abwickeln – haben sich bei der Deutschen Bundesbank inzwischen Papierforderungen gegenüber der EZB in Höhe von inzwischen über 615 Milliarden Euro angehäuft! Nur zur Erinnerung: Vor fünf Jahren waren es noch null Euro. Inzwischen aber verliert die Bundesbank dank „Target2“ de facto derzeit etwa vierzig Milliarden Euro im Monat – denn es ist nicht damit zu rechnen, daß diese „Kredite“ je wirklich an uns zurückgezahlt werden. Damit stellt dieser Bilanzschrott, anders kann man es nicht nennen, mehr als sechzig Prozent der Bundesbank-Aktiva dar, dem nur noch gut 15 Prozent, nämlich die deutschen Goldreserven, als einzig verbliebener echter Gegenwert gegenüberstehen. Und das Risiko, daß den Deutschen auch noch diese letzte Reserve ausgebucht wird, wächst ständig! Davor müssen wir uns mit dem von uns geforderten grundgesetzlich verankerten Sonderstatus unserer Goldreserven schleunigst schützen!

Auf der Netzseite Ihrer Aktion heißt es auch, die deutschen Goldreserven brauche man zur „Teildeckung einer künftigen neuen nationalen Währung post Euro“.

Hohenhau: Ja, allerdings verstehen wir das als Option, wir sind also keine Propheten, die sagen, so kommt es. Wir müssen aber der Tatsache ins Auge sehen, daß das derzeitige Euro-System umgestaltet werden wird und daß wir uns darauf vorbereiten müssen. Wie dieses System dann aussieht, ob alter Euro, Nord-Euro, neue D-Mark oder was auch immer, dazu nehmen wir konkret keine Stellung – nur dazu, daß wir zur Teildeckung dessen was kommt unerläßlich unser Gold brauchen!

 

Rolf von Hohenhau, ist nicht einfach Vorsitzender des bayerischen Bundes der Steuerzahler – er ist dessen Verkörperung“, schreibt der Spiegel. Der Diplom-Kaufmann, Jahrgang 1944, ist zudem Präsident des Europäischen Bundes der Steuerzahler „Taxpayers Association of Europe“ (TAE) und Vizepräsident des Steuerzahler-Weltverbandes (WTA). Unterstützt von 18 weiteren Institutionen hat die TAE (Logo rechts), die europaweit rund zwei Millionen Mitglieder repräsentiert, jetzt die Initiative „Holt unser Gold heim!“ gestartet. Da nicht nur Deutschland von dem Problem betroffen ist, läuft die Aktion auch auf internationaler Ebene unter dem Titel „Repatriate our Gold!“ Weitere Informationen und die Möglichkeit zur Unterstützung finden sich auf der Netzseite Gold-Action. Zu den Erstunterzeichnern gehören unter anderem Hans-Olaf Henkel, der FDP-Politiker Frank Schäffler, der ehemalige Thyssen-Manager Dieter Spethmann oder der Publizist und Gold-Experte Bruno Bandulet.

www.gold-action.de

Foto: Beamter der US-Notenbank inmitten dort gelagerter Goldbestände (Foto aus den sechziger Jahren): „Der Kalte Krieg ist lange vorbei. Frankreich etwa hat sein Gold längst heimgeholt. Warum nicht auch wir?“

 

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