© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Blick in die Medien
Twitter und Facebook statt Kugelschreiber
Toni Roidl

Am 13. Mai wird in NRW gewählt. Unter den Parteien ist Hektik ausgebrochen. Weil die PR-Medizinmänner sagen, daß der Wahlkampf im Internet immer wichtiger werde, versuchen die Kandidaten, Online-Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Früher war das leichter, da wurden in der Fußgängerzone Luftballons und Kugelschreiber verteilt. Jetzt gehören zur Pflicht auch Internetauftritte. Den Wähler von der Straße vermuten die Wahlkämpfer nun in sozialen Netzwerken. Darum werden Wahlversprechen in Facebook-Profile und Youtube-Kanäle posaunt. Da wird gepostet und gebloggt, bis die Bürgernähe nur so raucht.

Doch das Web 2.0 hat für Politiker so seine Tücken. Die mickrigen Zugriffszahlen der massenhaft eingestellten Profile und Kanäle verleiten höchstens aus Mitleid zum Anklicken. Und alle Parteien, die sich verzweifelt im Netz abstrampeln, schauen voller Neid auf die Piraten: Wie machen die das nur? Bei denen klappt es doch auch!

Die alte Tante SPD hat sich von den jungen netzaffinen Leuten was abgeschaut: In einem „Voting“ durften Mitglieder über Plakatentwürfe abstimmen. Die meisten Stimmen erhielt das Motiv „Currywurst ist SPD“. Überwiegende Reaktion normaler Offline-Menschen: Quatsch mit Soße. Aber der politisch desinteressierten Internet-Spaßgesellschaft „gefällt das“. Außer militanten Vegetariern, die darob auf Hannelore Krafts Facebook-Seite randalierten. NRW-Politik ist längst Nebensache.

Was all diese kopflosen Aktivitäten bringen sollen, wissen nicht mal die Wissenschaftler. Der Politologe Andreas Jungherr von der Uni Bamberg sagt, im Internet treffen die Parteien politisch interessierte Bürger; der Kommunikationswissenschaftler Frank Marcinkowski von der Uni Münster sagt, das sei gar nicht bewiesen und der Online-Wahlkampf völlig überbewertet.

Was sagt der Wähler? „Einmal Currywurst ohne SPD bitte.“

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