© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/12 27. April 2012

Fremdes Geld für fremde Banken
Euro-Rettungsfonds: Milliarden direkt an Krisen-Institute auszahlen? / Neue Forderungen von IWF, Irland und Spanien belasten die Geberländer
Karl Albrecht Schachtschneider

Auf der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) in Washington sprach IWF-Chefin Christine Lagarde offen aus, was die überschuldeten und von der Finanzkrise gebeutelten Euro-Länder wollen: einen direkten Geldfluß von den sogenannten Euro-Rettungsfonds (EFSF, ESM) an ihre Krisen-Banken. „Wir treten dafür ein, daß das möglicherweise ohne den Umweg über die Regierungen getan werden kann“, so die frühere französische Finanzministerin.

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wiegelte zwar ab, es gebe keine Diskussion. Doch der irische Premier Enda Kenny skizzierte in der Financial Times Deutschland ein denkbares Szenario: „Wenn der Fiskalpakt und der ESM-Vertrag ratifiziert sind, hoffe ich, daß eine rationale Diskussion unter den Staats- und Regierungschefs möglich wird“, meinte Kenny. Zwar müßten dann die Vertragsprinzipien dafür geändert werden, aber es gebe in der EU die „weitverbreitete Ansicht, daß der ESM direkt Geld an Banken in der Euro-Zone verleihen dürfen soll“.

Das Finanzproblem verdeutlicht speziell die Lage Spaniens. Hier war und ist vor allem die private Überschuldung durch die Immobilienkonjunktur die Hauptsorge. Der Währungsverbund hat diese Blase durch die Zinssenkung nach Ablösung der Peseta durch den Euro befördert. Der Boom der spanischen Bauwirtschaft hatte vorübergehend eine Beschäftigungslage geschaffen, die auch die Staatsfinanzen gestützt hatte. Die Baukonjunktur lockte sogar viele ausländische Arbeitskräfte an. Darum halten sich die Staatsschulden noch in Grenzen. Sie waren 2011 mit 68,5 Prozent des BIP geringer als die Deutschlands (81,2 Prozent) – aber Wachstum und Reichtum waren nur geborgt.

Über die Preise für Fincas weitab der Strände in öden Dörfern konnte man sich nur verwundert die Augen reiben. Die Blase ist erwartungsgemäß geplatzt. Häuser und Wohnungen stehen leer und sind unverkäuflich. Vor allem die jungen Leute sind arbeitslos, wenn sie nicht gerade studieren. Die Kredite sind notleidend – und damit die Banken, zusätzlich durch den Ankauf von verbrieften Schrottpapieren belastet. Wer soll das bezahlen? Deutschland natürlich, aber auch die anderen Staaten, die die Europäische Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF) finanzieren.

Der EFSF-Vertrag läßt wie das Euro-Stabilisierungsmechanismus-Gesetz (BGBl I S. 627) nur Nothilfen für Staatshaushalte zu, nicht aber die Bankenrettung fremder Staaten. Auch der IWF darf nur die Währung von Staaten, nicht aber Unternehmen subventionieren. Freilich könnte Spanien seine Banken finanzieren, wie das Deutschland mittels des Bankenrettungsfonds tut, der im März reaktiviert worden ist.

Aber das würde Spaniens ohnehin durch Rezession und extreme Arbeitslosigkeit geschwächte Schuldentragfähigkeit weiter gefährden. Die Banken Spaniens haben sich mit den Drei-Jahres-Tendern (JF 11/12) aus der Billionen-Tranche des Europäischen Systems der Zentralbanken (ESZB) – zu einem Zinssatz von einem Prozent ohne echte Sicherheiten – mehr Zentralbankgeld beschafft als die jedes anderen Landes. Die Kredite verbessern die Bilanz nicht. Auch zur Sicherheit weitergegebene Schrottpapiere sind abzuschreiben.

Liquidität behebt nicht die Überschuldung. Für die Rekapitalisierung seiner Banken, etwa durch Verstaatlichung, benötigt Spanien allzu teure Kredite. Auch Hilfen des EFSF würden hilfsfähige Notlage vertragswidrig erst hervorbringen. Banken sind allenfalls in außergewöhnlichen Fällen systemrelevant. Angeblich ist der Großteil der spanischen Banken sogar stabil. Die Insolvenz der Banken löst den notwendigen Schuldenschnitt (Haircut) am direktesten. Die spekulierenden Finanzakteure verdienen keine Hilfe. Im übrigen gibt es das Beihilfeverbot des Unionsrechts.

Die Finanzlage Spaniens zeigt, daß Staats- und Privatwirtschaft eines Landes eine schicksalhafte Einheit bilden. Ein Problem ist, daß gerade die großen Unternehmen, zumal die Banken, internationalisiert sind. Wenn der Staat auf Kosten seiner Bürger für diese einsteht, stützt er weitgehend internationales Eigentum. Das bricht aus der Solidarität der Bürgerschaft aus. Die Internationalität der Unternehmen und die Nationalität der Staaten passen nicht zueinander. Das nährt das Habermassche postnationale Postulat, das freilich das Ende freiheitlicher Demokratie wäre. Es trifft das Staatsprinzip eines freiheitlichen Gemeinwesens im Kern, wenn mit dem Geld der Bürger fremde Staaten und gar deren Banken finanziert werden.

Aber die Währungsunion zwingt eben zur politischen Union. Gerade darum ist sie unverbesserlich demokratie-, souveränitäts- und freiheitswidrig. Gerade darum verteidigt sie die politische Klasse mit Zehen und Klauen. Die Ansteckungsgefahr von Bankeninsolvenzen ist weit übertriebene Zweckpropaganda. Derartige Gefahren dürfen die Staaten um ihrer wirtschaftlichen Unabhängigkeit willen von vornherein nicht zulassen. Die Globalisierung beweist zunehmend ihre Fragwürdigkeit, zumal die globale Kapitalverkehrsfreiheit.

Mit dem demokratischen und dem sozialen Prinzip sind diese schwerlich kompatibel. Die Völker müssen einen tragfähigen Weg zwischen dem Freihandel und der Protektion finden, wie das Friedrich List vor etwa 150 Jahren dargelegt hat. Handelsfreiheit muß der Volkswirtschaft nützen, nicht nur bestimmten Unternehmen.

 

Prof. Dr. Karl Albrecht Schnachtschneider lehrte öffentliches Recht an der Universität Erlangen-Nürnberg. Sein jüngstes Buch über „Die Rechtswidrigkeit der Euro-Rettungspolitik“ erschien 2011 im Kopp-Verlag. www.kaschachtschneider.de

Foto: Euro-Monopolospiel: Der deutsche Staat steht auf Kosten seiner Bürger für ausländisches Eigentum ein

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